Entscheidung Nr. 24/2005

Antrag

 

AntragstellerIn, Status

Rosa W., Empfehlung

Öffentliches Eigentum

Stadt Wien

Vermögensart

unbeweglich

Liegenschaft/en in

KG Eßling (01654), Wien, Wien | auf Landkarte anzeigen

Entscheidung

 

Nummer

24/2005

Datum

20.09.2005

Gründe

Keine Zuständigkeit der Schiedsinstanz bzw. kein Anwendungsbereich des EF-G
Neu verfügbare Beweise iSd § 32 Abs 2 Z 2 EF-G

Typ

materiell

Anonymisierter Volltext

Pressemitteilung

Pressemitteilung Entscheidung Nr. 24/2005

Wien, ehemaliges Flugfeld Aspern
Die Schiedsinstanz für Naturalrestitution hat am 20. September 2005 die Rückstellung einer der Stadt Wien gehörenden Liegenschaft in Aspern empfohlen. Die Schiedsinstanz kommt zu diesem Ergebnis unter Berücksichtigung maßgeblicher Forschungsergebnisse der österreichischen Historikerkommission zur so genannten „Gildemeester-Aktion“.
Die beantragte Liegenschaft befand sich im März 1938 im Eigentum des jüdischen Rechtsanwaltes Dr. R. Die Familie R., darunter auch die jetzige Antragstellerin, trat im August 1938 der so genannten Auswanderungsaktion Gildemeester bei. Diese auf Wien und Graz konzentrierte Aktion hatte den Zweck, die Auswanderung von bedürftigen Personen zu organisieren, die nicht Mitglieder der Israelitischen Kultusgemeinde waren, nach den Nürnberger Gesetzen aber als Juden galten. Dazu sollten wohlhabende Juden ihr gesamtes Vermögen dem von den NS-Behörden für die Aktion bestellten Treuhänder, dem Bankhaus K., zur Verwaltung und Verwertung übergeben, wobei ein bestimmter Prozentsatz dieses Vermögens zur Finanzierung der Auswanderungsaktion bereitzustellen war. Als Gegenleistung versprachen sich die Fondsbeiträger – etwa 100 jüdische Familien mit rund 300 Einzahlenden - eine beschleunigte Vermögensliquidierung und bevorzugte Behandlung bei der Auswanderung.
Im April 1940, zwei Jahre nach Beitritt zur Aktion Gildemeester, unterzeichnete Dr. R. einen mit dem Deutschen Reich geschlossenen Kaufvertrag über die Liegenschaft, an der die deutsche Luftwaffe wegen der geplanten Erweiterung des Rollfeldes beim Flughafen Wien-Aspern interessiert war. Dr. R. wurde mit seiner Ehefrau 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo er im Oktober 1943 starb.

Im Jahr 1947 wurde durch die Erben nach Dr. R., darunter die jetzige Antragstellerin, das Rückstellungsverfahren eingeleitet. Da die in der Sowjetzone gelegene Liegenschaft als „Deutsches Eigentum“ galt, war eine Zustimmung von sowjetischer Seite zur Durchführung des Verfahrens erforderlich. Mangels einer solchen Zustimmung konnte das Verfahren erst nach Abschluss des Staatsvertrages fortgesetzt und beendet werden. Nachdem der Rückstellungsanspruch von den unteren Instanzen unter Anwendung des 3. Staatsvertragsdurchführungsgesetzes abgewiesen worden war, bestätigte auch der Verwaltungsgerichtshof im Oktober 1963 endgültig diese Rechtsansicht. Für die damaligen Rückstellungsinstanzen war der Umstand entscheidend, dass Dr. R. den Kaufvertrag mit der Luftwaffe persönlich unterschrieben hatte. Die Schiedsinstanz musste sich im Detail mit diesen ablehnenden Entscheidungen auseinandersetzen, da ein Aufrollen bereits entschiedener Fälle nach dem Entschädigungsfondsgesetz nur in Ausnahmefällen möglich ist.

Die Schiedsinstanz hat den gesetzlichen Auftrag, Befunde der österreichischen Historikerkommission bei ihrer Entscheidungsfindung zu berücksichtigen. Sie folgt in ihrer Entscheidung der Studie von Venus/Wenck, Die Entziehung jüdischen Vermögens im Rahmen der Aktion Gildemeester (Wien 2004). Darin wurden die Involvierung des NS-Regimes und die stattgefundenen Vermögensverschiebungen im Rahmen der Gildemeester-Aktion erstmals umfassend dargestellt und damit der wahre Charakter der Aktion offengelegt. Aufgrund der für den konkreten Fall ausreichend dokumentierten Vorgänge beim Beitritt zur Aktion Gildemeester sieht die Schiedsinstanz bereits mit der Übergabe des Vermögens von Dr. R. an den Treuhänder, das Bankhaus K., den Vermögensentzug als gegeben an. Dr. R. war ab diesem Zeitpunkt jegliche vertragliche Gestaltungsfreiheit genommen. Da der Vermögensentzug durch die Aktion Gildemeester lediglich aus Gründen der NS-Verfolgung eingetreten ist, stehen auch die Bestimmungen des 3. Staatsvertragsdurchführungsgesetzes einer Rückstellung nicht entgegen.
Zur Verwendung durch die Medien bestimmter Text, der die Schiedsinstanz nicht bindet.
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