Entscheidung Nr. 33/2006

Antrag

 

AntragstellerIn, Status

Marktkommune O., Ablehnung

Öffentliches Eigentum

Republik Österreich

Vermögensart

unbeweglich

Liegenschaft/en in

KG Oberottensheim (45618), Ottensheim, Oberösterreich | auf Landkarte anzeigen
KG Wilhering (45312), Wilhering, Oberösterreich | auf Landkarte anzeigen
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Entscheidung

 

Nummer

33/2006

Datum

23.01.2006

Grund

Keine Verfolgung iSd EF-G

Typ

materiell

Anonymisierter Volltext

Pressemitteilung

Pressemitteilung Entscheidung Nr. 33/2006

Oberösterreich, Ottensheim
Die Schiedsinstanz für Naturalrestitution lehnte am 23. Jänner 2006 einen Antrag auf Restitution von Liegenschaften in der oberösterreichischen Gemeinde Ottensheim ab. Die Liegenschaften waren aufgrund der Einführung der Deutschen Gemeindeordnung 1938 ins Eigentum der Gemeinde Ottensheim übergegangen. Die von diesem Vermögensübergang betroffene Eigentümerin, eine Agrargemeinschaft in Ottensheim, war nach Ansicht der Schiedsinstanz keiner Verfolgung durch das NS-Regime ausgesetzt.
Die beantragten Liegenschaften befanden sich 1938 im Besitz einer Agrargemeinschaft, welche seit dem 19. Jahrhundert neben der politischen Gemeinde Ottensheim als Nutzungsgemeinschaft hausbesitzender Ottensheimer Bürger bestand. Das Vermögen der Agrargemeinschaft sowie dessen Erträgnisse kamen einerseits ihren Mitgliedern zugute, andererseits wurde das Gemeinschaftsvermögen für öffentliche Zwecke am Ort verwendet, wie die Einrichtung und Erhaltung von Beleuchtung, Wasserleitung, Straßen und Plätzen. Mit der Einführung der Deutschen Gemeindeordnung in Österreich im Oktober 1938 wurden gemeindeähnliche „Verbände, Körperschaften und Einrichtungen“ aufgelöst. Deren Vermögen gelangte ins Eigentum der politischen Gemeinden. Auf diese Weise wurde auch die Gemeinde Ottensheim zur Eigentümerin der bisher von der Agrargemeinschaft verwalteten und genutzten Vermögenswerte. Zur Durchführung und Regelung des Vermögensübergangs schloss die Agrargemeinschaft mit der Gemeinde Ottensheim ein Übereinkommen. Letzteres sah die Umwandlung des agrargemeinschaftlichen Liegenschaftsvermögens in ein so genanntes „Gemeindegliedervermögen“ vor. Für diesen Teil des Gemeindeeigentums waren die vor Auflösung der Agrargemeinschaft bestehenden Ertragsnutzungen der Gemeinschaftsmitglieder beizubehalten.

Das ehemalige Liegenschaftsvermögen der Agrargemeinschaft Ottensheim verblieb auch nach Aufhebung der reichsdeutschen Gesetze 1945 im Eigentum der Gemeinde Ottensheim und als „Gemeindegliedervermögen“ mit besonderen Nutzungsrechten behaftet. Nach der oberösterreichischen Gemeindeordnung 1949 war „Gemeindegliedervermögen“ nunmehr als Sondervermögen der Gemeinde zu verwalten. Für eine Wiederrichtung der aufgelösten Agrargemeinschaften wurde in Oberösterreich keine gesetzliche Grundlage geschaffen. Zum ehemals agrargemeinschaftlichen Liegenschaftsvermögen in Ottensheim, über das die Schiedsinstanz zu befinden hatte, fand kein Rückstellungsverfahren statt.

Die Schiedsinstanz prüfte, ob für den Übergang des vormaligen Liegenschaftseigentums der Agrargemeinschaft an die Gemeinde Ottensheim Verfolgungsgründe maßgeblich waren. Da keine konkreten Verfolgungshandlungen in Bezug auf Mitglieder der Agrargemeinschaft dokumentiert waren, prüfte die Schiedsinstanz, ob sowohl die praktische Abwicklung des Vermögensübergangs an die Gemeinde als auch dessen gesetzliche Grundlage – die Deutsche Gemeindeordnung – Aufschluss über eine Verfolgung der Agrargemeinschaft geben. Die Schiedsinstanz verneinte einen Verfolgungstatbestand. Sie verwies in Anlehnung an die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs darauf, dass für den Vermögensübergang an die Gemeinde die Bestimmungen der Deutschen Gemeindeordnung entscheidend waren; letztere wurden durch das Übereinkommen nur umgesetzt. Auch eine Zuständigkeit von Agrarbehörden, welche nach Ansicht der Antragsteller 1938 dem Vermögensübergang hätten zustimmen müssen, verneinte die Schiedsinstanz. Bereits vor 1938 war für die Regulierung dieses Agrargemeinschaftsvermögens nach der geltenden oberösterreichischen Gemeindeordnung die Zuständigkeit der Gemeinde sowie der Landesregierung gegeben. An diese Regelung knüpfte auch die Deutsche Gemeindeordnung in Bezug auf aufzulösende „Verbände, Körperschaften und Einrichtungen gemeinderechtlicher Art“ an. Bezüglich dieser Bestimmung der Deutschen Gemeindeordnung hielt die Schiedsinstanz fest, dass sie nicht Ausdruck der NS-Ideologie und ihre Zielsetzung nicht diskriminierend war. Die Schiedsinstanz konzedierte, dass es bei der Umsetzung des neuen Gemeinderechts zu Eingriffen in bisherige Rechtspositionen kam und dass einige Bestimmungen der Deutschen Gemeindeordnung im Sinne der „Gleichschaltung“ und des „Führerprinzips“ undemokratisch und nationalsozialistisch geprägt waren. Allerdings gilt dies nicht für das neugeschaffene Gemeindegliedervermögen, das auch durch die (ober)österreichische Rechtsordnung fortgeschrieben wurde.
Zur Verwendung durch die Medien bestimmter Text, der die Schiedsinstanz nicht bindet.
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