Entscheidung Nr. 142/2006

Antrag

 

AntragstellerIn, Status

Erich Martin Uri S., Ablehnung
Herbert Denny S., Ablehnung

Öffentliches Eigentum

Stadt Wien

Vermögensart

unbeweglich

Liegenschaft/en in

KG Favoriten (01101), Wien, Wien | auf Landkarte anzeigen

Entscheidung

 

Nummer

142/2006

Datum

18.04.2006

Gründe

Keine Zuständigkeit der Schiedsinstanz bzw. kein Anwendungsbereich des EF-G
Keine "extreme Ungerechtigkeit" iSd § 32 Abs 2 Z 1 EF-G

Typ

materiell

Anonymisierter Volltext

Pressemitteilung

Pressemitteilung Entscheidung Nr. 142/2006

Wien, Favoriten
Die Schiedsinstanz für Naturalrestitution hat am 18. April 2006 einen Antrag auf Restitution einer heute zum Teil der Stadt Wien gehörenden Liegenschaft in Wien/Favoriten abgelehnt. Die Liegenschaft war bereits Gegenstand eines Rückstellungsverfahrens gewesen, das 1961 mit einem Vergleich beendet wurde, wonach der geschädigte Eigentümer gegen Zahlung eines Betrages auf die Rückstellung verzichtete. Nach dem Entschädigungsfondsgesetz ist die Schiedsinstanz nur in besonderen Ausnahmefällen berechtigt, das damalige Ergebnis zu korrigieren. Ein solcher Ausnahmefall lag nach Ansicht der Schiedsinstanz nicht vor.
Ende 1937 erwarb der in Wien wohnhafte polnische Staatsbürger Samuel S. die beantragte, ca 520 m² große Liegenschaft in einem Zwangsversteigerungsverfahren. Im Oktober 1938 verkaufte er die Liegenschaft um den Preis von 6.333,- Reichsmark an Johann B. Die Durchführung der Liegenschaftstransaktion wurde zunächst von der Genehmigung der NS-Behörden abhängig gemacht, die sich schließlich aber für nicht zuständig erklärten. Samuel S. war als Jude nach dem „Anschluss“ zahlreichen Erniedrigungen und menschenunwürdigen Behandlungen durch das NS-Regime ausgesetzt und emigrierte daher mit seiner Familie – darunter seine beiden Söhne, die jetzigen Antragsteller – im August 1939 nach Palästina.

Nach dem Ende des NS-Regimes und dem In-Kraft-Treten der einschlägigen Rückstellungsgesetze in den Jahren 1945 bis 1947 wurde hinsichtlich der betreffenden Liegenschaft zunächst kein Rückstellungsantrag eingebracht. 1960 beanspruchten die Sammelstellen, die in Umsetzung des Staatsvertrages als Auffangorganisation für erbloses und unbeansprucht gebliebenes jüdisches Vermögen im Jahr 1957 geschaffen worden waren, die Liegenschaft. Zu diesem Zweck wurde im Jahr 1960 von einem Sachverständigen ein Liegenschaftswert von 187.000,- Schilling ermittelt. Nachdem die Vergleichsgespräche mit Johann B. gescheitert waren, brachte die Sammelstelle A im Juni 1961 einen Antrag auf Rückstellung der Liegenschaft ein. Samuel S. trat kurze Zeit später anstelle der Sammelstelle A in das Rückstellungsverfahren ein, das im November 1961 durch die Parteien mit einem Vergleich beendet wurde. Samuel S. verzichtete gegen eine Zahlung von 70.000,- Schilling auf die Rückstellung der Liegenschaft. Das Grundstück blieb im Eigentum von Johann B., der die Liegenschaft im November 1967 um 625.000,- Schilling an die Stadt Wien verkaufte. Zum für die Eigentumsverhältnisse relevanten Stichtag 17. Jänner 2001 befand sich nur mehr eine Fläche von 137 m² im Eigentum der Stadt Wien; 383 m² standen im Privateigentum und sind daher einer Rückstellung nicht zugänglich.

Da ein Aufrollen durch Vergleich beendeter Fälle nach dem Entschädigungsfondsgesetz nur in Ausnahmefällen möglich ist, musste sich die Schiedsinstanz im Detail mit dem Rückstellungsverfahren auseinandersetzen. Insbesondere war der Frage nachzugehen, ob die von den Antragstellern vorgebrachte ökonomische Zwangslage von Samuel S. eine Einschränkung seiner Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung zur Folge hatte. Solche Umstände können nach der ständigen Entscheidungspraxis der Schiedsinstanz zu einer Neubewertung von Rückstellungsvergleichen Anlass geben.

Im konkreten Fall fanden sich dazu allerdings keine Anhaltspunkte. Samuel S. war anwaltlich vertreten und schloss auch den Vergleich mit anwaltlicher Unterstützung. Er hielt sich während des Rückstellungsverfahrens zumindest zeitweilig in Wien auf und konnte somit die Angelegenheit auch persönlich wahrnehmen. Dass der von Samuel S. erzielte Vergleichsbetrag von 70.000,- Schilling deutlich geringer war als der damalige Wert der Liegenschaft, konnte dadurch erklärt werden, dass Samuel S. bei einer Rückstellung der Liegenschaft verpflichtet gewesen wäre, den Wert des von Johann B. auf der Liegenschaft errichteten Werkstattgebäudes zu ersetzen. Der abgeschlossene Vergleich war somit nicht als extrem ungerecht einzustufen. Die Schiedsinstanz lehnte daher eine Rückgabe der beantragten Liegenschaft ab.
Zur Verwendung durch die Medien bestimmter Text, der die Schiedsinstanz nicht bindet.
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