Entscheidung Nr. 303/2006

Antrag

 

AntragstellerIn, Status

L., Zurückweisung

Öffentliches Eigentum

Stadt Wien

Vermögensart

unbeweglich

Liegenschaft/en in

KG Biedermannsdorf (16103), Biedermannsdorf, Niederösterreich | auf Landkarte anzeigen

Entscheidung

 

Nummer

303/2006

Datum

13.11.2006

Grund

Keine Rechtsnachfolge

Typ

materiell

Anonymisierter Volltext

Pressemitteilung

Pressemitteilung Entscheidung Nr. 303/2006

Niederösterreich, Biedermannsdorf
Die Schiedsinstanz für Naturalrestitution hat am 13. November 2006 den Antrag einer Gebietskörperschaft auf Rückstellung einer im Eigentum der Stadt Wien stehenden Liegenschaft in Niederösterreich, Biedermannsdorf, zurückgewiesen. Nach Ansicht der Schiedsinstanz kann die Antragstellerin nicht als Rechtsnachfolgerin eines vom Stillhaltekommissar aufgelösten Vereins, in dessen Eigentum die beantragte Liegenschaft gestanden hat, angesehen werden.
Die beantragte Liegenschaft stand seit 1883 im Eigentum eines 1882 gegründeten Vereins, dessen Vereinszweck die Erziehung und Pflege geistig behinderter Kinder war. Die betreffende Liegenschaft samt Gebäudeanlagen in Biedermannsdorf war dem Verein von einer Privatperson geschenkt worden. In den Gebäuden richtete der Verein eine Anstalt zur Unterbringung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen ein, die er bis zum Jahr 1938 selbst führte. Die Vereinstätigkeit wurde von zahlreichen Vereinsmitgliedern, überwiegend Privatpersonen, aber auch von den Bundesländern Wien und Niederösterreich finanziell mitgetragen.

Die Vereinsstatuten von 1923 sahen vor, dass vor allem Kinder aus den Ländern Wien und Niederösterreich in der vom Verein geführten Anstalt in Biedermannsdorf aufzunehmen waren. Den genannten Ländern stand ein Vorschlagsrecht für Pflege-Freiplätze in der Anstalt zu. Für den Auflösungsfall des Vereines sahen die Statuten vor, das eventuell noch vorhandene Vermögen einer Stiftung zugunsten bedürftiger Kinder der Länder Wien und Niederösterreich zukommen zu lassen. Zu einer formellen Auflösung des Vereines kam es jedoch nicht, da der Verein 1938 durch den NS-Stillhaltekommissar aufgelöst und sein Vermögen der Gemeinde Wien eingewiesen wurde. Nach 1945 blieben Anstalt und Liegenschaft in Eigentum und Verwaltung der Stadt Wien. Ein Rückstellungsverfahren zu den Vermögenswerten des aufgelösten Vereins wurde nicht eingeleitet.

Die Schiedsinstanz hatte zu prüfen, ob die Antragstellerin, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, als Rechtsnachfolgerin im Sinne des § 27 Abs 2 Entschädigungsfondsgesetz angesehen werden kann. Der aufgelöste Verein hatte sich nicht nach dem Vereins-Reorganisationsgesetz 1945 wiedererrichtet. Eine für den Fall einer Vereinsauflösung statutenmäßig vorgesehene Vermögenswidmung an eine Stiftung, die als Rechtsnachfolgerin angesehen hätte werden können, hatte nicht stattgefunden. Darüber hinaus waren den Vereinsstatuten keine weiteren Festlegungen hinsichtlich einer möglichen Rechtsnachfolge zu entnehmen. Hierzu bietet nach Ansicht der Schiedsinstanz auch die von der Antragstellerin angeführte Kompetenzverteilung der Bundesverfassung keine Regelungsbasis. Denn aus der Kompetenzverteilung für eine bestimmte Materie (Jugendwohlfahrt) kann keine Rechtsnachfolge der betreffenden Gebietskörperschaften (Bundesländer) nach einem aufgelösten Rechtssubjekt abgeleitet werden, auch wenn die öffentliche Hand in ihrem Wirkungsbereich durch die Vereinstätigkeit Vorteile gezogen haben mag. Da die Antragstellerin nicht als Rechtsnachfolgerin des aufgelösten Vereines angesehen werden kann, war der Rückstellungsantrag zurückzuweisen.
Zur Verwendung durch die Medien bestimmter Text, der die Schiedsinstanz nicht bindet.
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