Entscheidung Nr. 317/2006

Antrag

 

AntragstellerIn, Status

Monika H., Ablehnung
Margaret H., Ablehnung
Alice P., Ablehnung

Öffentliches Eigentum

Stadt Wien

Vermögensart

unbeweglich

Liegenschaft/en in

KG Brigittenau (01620), Wien, Wien | auf Landkarte anzeigen

Entscheidung

 

Nummer

317/2006

Datum

11.12.2006

Grund

Rückstellung nach 1945 bereits erfolgt

Typ

materiell

Anonymisierter Volltext

Pressemitteilung

Pressemitteilung Entscheidung Nr. 317/2006

Wien, Brigittenau
Die Schiedsinstanz für Naturalrestitution hat am 11. Dezember 2006 die Rückstellung einer am 17. Jänner 2001 im Eigentum der Stadt Wien stehenden Liegenschaft in Wien, Brigittenau abgelehnt. Diese Liegenschaft war bereits 1948 an die geschädigten EigentümerInnen zurückgestellt worden. Demnach konnte die Schiedsinstanz keine Empfehlung auf erneute Restitution der Ende der 1990er Jahre an die Stadt Wien gelangte Liegenschaft aussprechen.
Die mit einem dreistöckigen Haus bebaute Liegenschaft im 20. Wiener Gemeindebezirk gehörte 1938 den jüdischen Geschwistern Oskar und Josef D. und Erwine H. Diese mussten die Liegenschaft im August 1939 an die Ehepaare D. und H. um 32.000,- Reichsmark verkaufen, um die ihnen vom NS-Staat vorgeschriebenen diskriminierenden Steuern bezahlen zu können. Für die Durchführung des Verkaufes bedurfte es mehrerer Genehmigungen von NS-Behörden. Oskar D. konnte 1939 nach Shanghai, Erwine H. 1940 in die USA emigrieren. Josef D. blieb in Wien und wurde in das Ghetto Litzmannstadt/Lodz deportiert, wo er 1942 starb.

Im Juli 1947 beantragten Oskar D. und Erwine H. bei der Rückstellungskommission Wien die Rückstellung der Liegenschaft. Im Mai 1948 wurden die Ehepaare D. und H. für schuldig erkannt, die Liegenschaft zurückzustellen. Im Gegenzug wurden Oskar D. und Erwine H. allerdings verpflichtet, den Kaufpreis von 32.000,- Schilling an die Ehepaare D. und H. zurückzuzahlen. Mieteinnahmen mussten die Ehepaare D. und H. nicht ausfolgen, da sie von der Rückstellungskommission als so genannte redliche Besitzer betrachtet wurden. Zu den beiden letztgenannten Punkten erhoben Oskar D. und Erwine H. Beschwerde vor der Rückstellungsoberkommission Wien. Diese bestätigte als zweite Instanz allerdings im Juni 1949 die Entscheidung der Rückstellungskommission Wien.

Nachdem die Liegenschaft in den 1950er und 1960er Jahren innerhalb der Familien von Erwine H. und Oskar D. im Schenkungs- bzw. Erbweg weitergegeben worden war, gelangte sie über weitere Zwischeneigentümer im Jahr 1999 in das Eigentum der Stadt Wien.

Die nunmehrigen Antragstellerinnen vor der Schiedsinstanz, Erbinnen der früheren EigentümerInnen Erwine H. und Oskar D., stützen ihren Rückstellungsantrag darauf, dass die Entscheidung der Rückstellungsoberkommission Wien vom Juni 1949 „extrem ungerecht“ im Sinne des Entschädigungsfondsgesetzes gewesen sei. Da die VerkäuferInnen Oskar und Josef D. und Erwine H. von dem im Jahr 1939 festgesetzten Kaufpreis nichts erhalten hätten, hätten sie ihn nach den damals geltenden Rückstellungsgesetzen auch nicht zurückzahlen müssen; hingegen wären ihnen die Mieteinnahmen sehr wohl zugestanden.

Die Schiedsinstanz hat sich erstmals im Detail mit der Frage auseinandergesetzt, ob trotz einer bereits einmal geschehenen Rückstellung eine Liegenschaft neuerlich zurückgestellt werden kann. Der Zweck des Entschädigungsfondsgesetzes besteht darin, offene Fragen der Entschädigung von NS-Opfern zu lösen. Für die den Vorfahren der Antragstellerinnen durch die fehlerhafte Entscheidung der Rückstellungsoberkommission entstandenen Verluste sieht das Entschädigungsfondsgesetz Möglichkeiten einer finanziellen Abgeltung vor. Die Entscheidung darüber fällt jedoch nicht in die Kompetenz der Schiedsinstanz. Der gegenüber der Schiedsinstanz geltend zu machende Anspruch auf Rückstellung ist hingegen bereits in einem früheren Verfahren positiv entschieden worden. Aus diesen Gründen konnte keine Empfehlung auf Rückstellung der Liegenschaft ausgesprochen werden.
Zur Verwendung durch die Medien bestimmter Text, der die Schiedsinstanz nicht bindet.
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