Entscheidung Nr. WA1/2007

Antrag

 

AntragstellerIn, Status

Ivan P., Empfehlung

Öffentliches Eigentum

Republik Österreich

Vermögensart

unbeweglich

Liegenschaft/en in

KG Neuhodis Markt (34046), Markt Neuhodis, Burgenland | auf Landkarte anzeigen
KG Althodis (34003), Markt Neuhodis, Burgenland | auf Landkarte anzeigen
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Entscheidung

 

Nummer

WA1/2007

Datum

26.06.2007

Gründe

Keine Zuständigkeit der Schiedsinstanz bzw. kein Anwendungsbereich des EF-G
Keine frühere Maßnahme iSd EF-G
Frühere Entscheidung wegen neuer Beweise/Tatsachen iSd § 21a Abs 1 GVO aufgehoben
Keine Entziehung iSd EF-G

Typ

materiell

Anonymisierter Volltext

Verbundene Entscheidung

Pressemitteilung

Pressemitteilung Entscheidung WA 1/2007

Burgenland, Bezirk Oberwart
Die Schiedsinstanz für Naturalrestitution hat am 26. Juni 2007 die teilweise Rückstellung einer den Österreichischen Bundesforsten gehörenden Liegenschaft im Burgenland empfohlen, nachdem sie im Mai 2004 den Restitutionsantrag bereits einmal zur Gänze abgelehnt hatte. Durch das Auffinden neuer Dokumente waren Tatsachen bekannt geworden, die schließlich zu dieser von der ersten Entscheidung abweichenden Beurteilung des Falles führten. Dabei stützte sich die Schiedsinstanz erstmals auf den von ihr im Jänner 2007 eingeführten Rechtsbehelf, der eine Abänderung der von ihr getroffenen Entscheidungen erlaubt, wenn die Entscheidungsgrundlagen bisher unvollständig geblieben waren.

Das ca. 220 Hektar (ha) große land- und forstwirtschaftliche Gut im Bezirk Oberwart, Burgenland, stand im Jahr 1938 im Eigentum der ungarischen StaatsbürgerInnen Klara W. (3/8), Blanka Sp. (2/8) und Ladislaus Si. (3/8). Die in Szombathely, Ungarn, wohnhaften EigentümerInnen boten im März 1939 der reichsdeutschen Forstverwaltung den Großteil des Gutes zum Verkauf an. Nachdem sich die Verkaufsgespräche einige Jahre nur sehr schleppend dahingezogen hatten und die Reichsforstverwaltung den als jüdisch geltenden EigentümerInnen mehrmals die Einleitung der „Zwangsarisierung“ angedroht hatte, verkauften Klara W., Blanka Sp. und Ladislaus Si. in den Jahren 1941/42 208 ha ihres Gutes um 87.000,- Reichsmark an das Deutsche Reich, Reichsforstverwaltung.

Als das NS-Regime ab März 1944 seine Vernichtungspolitik auf die ungarische jüdische Bevölkerung ausgeweitet hat, waren davon auch Klara W. und Blanka Sp. betroffen. Die beiden sowie zahlreiche weitere Familienmitglieder wurden in den Monaten Juni und Juli 1944 in Auschwitz ermordet bzw. gelten seither als verschollen. Von Ladislaus Si., der 1943 von der ungarischen Armee zum militärischen Arbeitsdienst eingezogen wurde, fehlt seit dem Jahr 1944 jede Nachricht.

Nach dem Ende des NS-Regimes übernahmen die sowjetischen Besatzer die Verwaltung des Gutes im Rahmen ihrer USIA-Betriebe. Dies war eine Konsequenz des Potsdamer Abkommens, nach dem die Sowjetunion das Eigentum des Deutschen Reiches zu Reparationszwecken beanspruchen konnte. Mit dem Staatsvertrag im Jahr 1955 ging das Eigentum schließlich auf die Republik Österreich über.

Im Jahr 1956 begehrte Edith Sch. die Rückstellung der 1941/42 verkauften Liegenschaften von der Republik Österreich. Ihr Ehemann Karl Sz. war ebenfalls während der NS-Zeit umgekommen, hatte aber die Witwe seines Onkels, Blanka Sp., und deren gemeinsame Kinder Klara W. und Ladislaus Si. überlebt. Da sich in den vor dem Bezirksgericht Oberwart geführten Verlassenschaftsverfahren nach den drei für tot erklärten EigentümerInnen keine näheren Verwandten als Erben gemeldet hatten, wurde Edith Sch. – als Erbin ihres Ehemanns Karl Sz. – schließlich Alleinerbin von Klara W., Blanka Sp. und Ladislaus Si.

Im Rückstellungsverfahren stritt man in mehreren Instanzen darum, ob Edith Sch. überhaupt berechtigt sei, Rückstellungsansprüche nach Klara W., Blanka Sp. und Ladislaus Si. zu erheben. Nach den Rückstellungsgesetzen konnte nicht jeder Erbe solche Ansprüche erheben, sondern nur ein gesetzlich definierter Kreis von näheren Verwandten des geschädigten Eigentümers. Die nicht beanspruchten Vermögenswerte von NS-Opfern sollten einer besonderen Auffangorganisation, den Sammelstellen, übertragen werden. Die Sammelstellen sollten die von ihnen vereinnahmten Mittel dann an die NS-Opfer verteilen.

Nachdem die Antragsberechtigung von Edith Sch. von der zuständigen Behörde positiv geklärt schien, schlossen Edith Sch. und die Republik Österreich im Oktober 1961 einen Rückstellungsvergleich. Gegen Zahlung von rund 1,5 Millionen Schilling verzichtete Edith Sch. auf die Rückstellung der von ihr beanspruchten 208 ha.

Die Schiedsinstanz stand in diesem Fall vor der besonderen Problematik, dass die nunmehrigen AntragstellerInnen I. P. und M. P. ihr Erbrecht von einem Neffen Blanka Sp.s ableiten. Sie konnten damit ein besseres Erbrecht nach den früheren LiegenschaftseigentümerInnen nachweisen als Edith Sch. Für die Schiedsinstanz war Edith Sch. somit eine so genannte Scheinerbin. Da die Schiedsinstanz allerdings keine gesetzliche Kompetenz hat, Verlassenschaftsverfahren nochmals aufzurollen und deren Konsequenzen zu korrigieren, musste sie den ursprünglichen Antrag von I. P. und M. P. mit der Entscheidung Nr. 4/2004 ablehnen.

Die AntragstellerInnen I. P. und M. P. stellten einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens und verwiesen dabei auf ein erst seit März 2007 vorliegendes Dokument der Österreichischen Bundesforste, demzufolge der für den Fall zuständige Referent der Finanzprokuratur im Rückstellungsverfahren gegen Edith Sch. davon überzeugt gewesen sei, dass dieser teilweise die Antragsberechtigung gefehlt habe. Die Schiedsinstanz anerkannte dieses Dokument als neues Beweismittel im Sinne ihres im Jänner 2007 eingeführten Rechtsbehelfs und entschied zunächst, die Entscheidung 4/2004 aufzuheben und über den Restitutionsantrag von I. P. und M. P. neu zu entscheiden.

Eine rechtliche Prüfung dieser neuen Tatsache zeigte, dass Edith Sch. den sich auf 3/8 belaufenden Anteil von Ladislaus Si. im Rückstellungsverfahren nicht erfolgreich geltend machen hätte können. Karl Sz., der verstorbene Ehegatte von Edith Sch., wäre, da er nur ein Cousin von Ladislaus Si. gewesen war, nicht unter die anspruchsberechtigten Verwandten nach den Rückstellungsgesetzen gefallen. Da dies den verantwortlichen Stellen der Republik Österreich bekannt war, hätte sie diese Rechtsansicht im Instanzenzug abschließend klären lassen müssen. Stattdessen hat aber die Finanzprokuratur von einer Erhebung weiterer Rechtsmittel abgeraten; dies mit dem ausdrücklichen Hinweis darauf, dass der 3/8-Anteil ansonsten ohnehin von der Republik Österreich an die Sammelstellen herauszugeben wäre und die Rückstellung damit nur aufgeschoben werden würde.

Bei dieser Sachlage konnte sich die Republik Österreich im Verfahren vor der Schiedsinstanz nicht darauf berufen, dass hinsichtlich des 3/8-Anteiles von Ladislaus Si. bereits ein Rückstellungsverfahren stattgefunden habe. In dieser Hinsicht war der 1961 von der Republik Österreich wider besseres Wissen mit Edith Sch. geschlossene Rückstellungsvergleich für die AntragstellerInnen I. P. und M. P. ohne Relevanz. Die Schiedsinstanz konnte daher die Restitution eines 3/8-Anteiles der sich heute im öffentlichen Eigentum (Österreichischen Bundesforste Aktiengesellschaft) befindlichen Liegenschaftsfläche von 196 ha an I. P. und M. P. empfehlen.

Zur Verwendung durch die Medien bestimmter Text, der die Schiedsinstanz nicht bindet.
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