Entscheidung Nr. 372/2007

Antrag

 

AntragstellerIn, Status

Susanne A., Zurückweisung
Michael F., Zurückweisung
Johanna P., Ablehnung
Wolf P., Zurückweisung
Johannes P., Ablehnung

Öffentliches Eigentum

Stadt Wien

Vermögensart

unbeweglich

Liegenschaft/en in

KG Pötzleinsdorf (01510), Wien, Wien | auf Landkarte anzeigen

Entscheidung

 

Nummer

372/2007

Datum

18.09.2007

Gründe

Rückstellung nach 1945 bereits erfolgt
Keine Rechtsnachfolge
Keine Entziehung iSd EF-G

Typ

materiell

Anonymisierter Volltext

Pressemitteilung

Pressemitteilung Entscheidung Nr. 372/2007

Wien, Pötzleinsdorf
Die Schiedsinstanz für Naturalrestitution hat am 18. September 2007 die Rückstellung von am 17. Jänner 2001 im Eigentum der Stadt Wien stehenden Liegenschaften in Wien, Pötzleinsdorf abgelehnt bzw. zurückgewiesen. Diese Liegenschaften waren teilweise bereits 1948 an die geschädigten Eigentümer zurückgestellt, teilweise nie entzogen worden; bei drei der fünf AntragstellerInnen war überdies die Anspruchsberechtigung nicht gegeben. Demnach konnte die Schiedsinstanz keine Empfehlung auf Restitution aussprechen.

Die am Wiener Schafberg gelegenen Liegenschaften – im Jahr 1938 bestehend aus 92 Grundstücken in 17 Grundbucheinlagen mit einer Fläche von rund 67.100 m², der Großteil davon unbebaute Bauparzellen – gehörten den Brüdern Leopold, Friedrich Moriz und Ernst P. Leopold und Friedrich Moriz galten den „Nürnberger Rassegesetzen“ von 1935 zufolge als so genannte Mischlinge 1. Grades; Leopold flüchtete 1939 aufgrund seiner politischen Einstellung – er war von der Gestapo einige Male als Monarchist und Legitimist verhaftet worden – nach London, Friedrich Moriz überlebte die NS-Zeit in Wien. Ernst galt, da er als jüdischer „Mischling“ mit einer Jüdin verheiratet war und der jüdischen Religionsgemeinschaft angehörte, als Jude; er wurde 1938 und 1939 in den Konzentrationslagern Dachau und Buchenwald inhaftiert und flüchtete nach der Entlassung mit seiner Familie in die USA.

Die Liegenschaften von Leopold P. wurden in der Folge unter Abwesenheitskuratel gestellt, die von Ernst P. verfielen im Jahr 1943 aufgrund der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz dem Deutschen Reich. Friedrich Moriz P. behielt die Verfügungsgewalt über seine Liegenschaften. Anfang 1939 begannen Vertreter von Kleingartenvereinen und die Wiener NSDAP-Kreisleitung IX, die diese Liegenschaften erwerben oder zumindest günstig pachten wollten, Druck auf Friedrich Moriz und die Vertreter von Leopold und Ernst P. auszuüben. Da diese nicht verkaufen wollten, wandten sich die Kleingartenvertreter an die Stadt Wien mit der Bitte, deren Gründe von Bauland in Grünland umzuwidmen, um sie dadurch als Kleingartenpachtland nutzen zu können. Daraufhin erfolgte im September 1939 mit Entschließung des Wiener Bürgermeisters eine Flächenwidmungsänderung der entsprechenden Gegend am Schafberg. Zwar war den zuständigen Wiener Magistratsabteilungen bewusst, dass in solchen Fällen von Wertminderungen gemäß der Wiener Bauordnung finanzielle Entschädigung zu leisten sei, die Angelegenheit wurde von Seiten der Stadt Wien jedoch verzögert und schließlich nicht mehr weiter verfolgt. In Folge wurden Teile der Liegenschaften von der Kreisleitung als „Grabeland“ bestimmt, und die Vertreter der Brüder P. mussten zu geringem Pachtzins an verschiedene Kleingartenvereinigungen verpachten. Spätere Versuche der Stadt Wien, Liegenschaften aus dem verfallenen Besitz des Ernst P. vom Deutschen Reich zu erwerben, scheiterten am Widerstand des Wiener Oberfinanzpräsidenten.

Nachdem Ernst P. 1947 bei der Finanzlandesdirektion Wien einen Rückstellungsantrag nach dem Ersten Rückstellungsgesetz eingebracht hatte, wurden ihm 1948 alle entzogenen Liegenschaften zurückgestellt. Die Abwesenheitskuratel über die Liegenschaften von Leopold P. wurde 1947 aufgehoben. Ebenfalls 1947 wurde ein Teil der betreffenden Liegenschaften wieder von Grün- in Bauland rückgewidmet; die zuständige Magistratsabteilung 18, die 1939 für die Widmungsänderung in Grünland verantwortlich zeichnete, gab selber zu Protokoll, dass die Umwidmungen während der NS-Zeit aus politischen Gründen, nicht aber aus stadtplanerischen Erwägungen heraus erfolgten. Außerdem war bei Unterbleiben einer Rückwidmung nun wieder mit berechtigten Entschädigungsansprüchen zu rechnen. 1955 forderten Leopold und Ernst P. (Friedrich Moriz war inzwischen verstorben) von der Stadt Wien die Rückwidmung auch des restlichen Teils der 1939 in Grünland umgewidmeten Liegenschaften; diesmal verweigerte die MA 18 zunächst eine neuerliche Änderung des Flächenwidmungsplanes, fand aber mit den zwei Brüdern schließlich eine Kompromisslösung, wonach ein Teil rückgewidmet wurde, ein Teil Grünland blieb. Spätere Versuche, auch diesen letzten Rest wieder in Bauland umwidmen zu lassen, blieben erfolglos. Ab den 1950er-Jahren verkauften die Brüder P. die – größtenteils wieder in Bauland rückgewidmeten – Liegenschaften sowohl an Privatpersonen als auch an die Stadt Wien; Ende der 1970er-Jahre waren sämtliche Grundstücke des P.-Besitzes verkauft.

Drei der nunmehrigen AntragstellerInnen, Nachkommen von Ernst P., stützten ihren Rückstellungsantrag darauf, dass die Liegenschaften des Ernst P. nie zurückgestellt worden seien. Dies war jedoch mit Bescheid der Finanzlandesdirektion Wien aus dem Jahr 1948 geschehen. Das Begehren auf Rückstellung ist somit bereits in einem früheren Verfahren positiv entschieden worden. Überdies konnte keine Antragslegitimation nachgewiesen werden. Von den Erben nach Leopold und Friedrich Moriz P. wurde unter anderem vorgebracht, dass die Umwidmung von Bau- auf Grünland einer Enteignung entsprochen habe. Die Schiedsinstanz hat sich erstmals im Detail mit der Frage auseinander gesetzt, ob eine Umwidmung von Bau- in Grünland eine Entziehung im Sinne des Entschädigungsfondsgesetzes darstellt. Die Umwidmung durch die Stadt Wien erfolgte zwar willkürlich und aus rassepolitischen Gründen und war überdies auf die Einflussnahme seitens der NS-Vertreter der Kleingärtnervereine zurückzuführen, entsprach aber keiner Entziehung, sondern einer Wertminderung. Eine Entziehung setzt einen Eigentümerwechsel voraus, ein solcher fand im Falle der Liegenschaften von Leopold und Friedrich Moriz P. jedoch nicht statt. Nach der Systematik des Entschädigungsfondsgesetzes wären die mit der Umwidmung entstandenen Verluste ausschließlich im Verfahren auf finanzielle Entschädigung geltend zu machen. Die Entscheidung darüber fällt jedoch nicht in die Kompetenz der Schiedsinstanz. Aus diesen Gründen konnte keine Empfehlung auf Rückstellung der Liegenschaften ausgesprochen werden.

Zur Verwendung durch die Medien bestimmter Text, der die Schiedsinstanz nicht bindet.
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