Entscheidung Nr. 377/2007

Antrag

 

AntragstellerIn, Status

Edith R., Ablehnung
Eva S., Ablehnung

Öffentliches Eigentum

Republik Österreich

Vermögensart

unbeweglich

Liegenschaft/en in

KG Alsergrund (01002), Wien, Wien | auf Landkarte anzeigen

Entscheidung

 

Nummer

377/2007

Datum

18.09.2007

Grund

Keine Entziehung iSd EF-G

Typ

materiell

Anonymisierter Volltext

Pressemitteilung

Pressemitteilung Entscheidung Nr. 377/2007

Wien, Alsergrund
Die Schiedsinstanz für Naturalrestitution hat am 18. September 2007 einen Antrag auf Rückstellung einer im Eigentum der Republik Österreich stehenden Liegenschaft in Wien, Alsergrund abgelehnt. Bereits vor 1938 waren zu der überschuldeten Liegenschaft einer jüdischen Eigentümerin Versteigerungsverfahren eingeleitet worden. Schließlich ersteigerte 1941 einer der Pfandgläubiger die Immobilie. Die Schiedsinstanz gelangte zur Ansicht, dass es auch ohne die NS-Machtübernahme zu einer Versteigerung der Liegenschaft gekommen wäre. Da unter diesem Gesichtspunkt keine Vermögensentziehung aufgrund einer Verfolgung der Eigentümerin vorlag, lehnte die Schiedsinstanz den Antrag ab.
Die zur Rückgabe beantragte Liegenschaft stand zum Zeitpunkt der nationalsozialistischen Machtübernahme in Österreich im Eigentum der Jüdin Isabella T. Diese hatte vor 1938 zahlreiche Darlehen aufgenommen und dafür ihre Liegenschaft, ein mehrstöckiges Mietshaus, mit Hypotheken belastet. Zur Sicherstellung eines umfangreichen Kredits für Instandhaltungsarbeiten am Haus hatte Isabella T. überdies die Mieteinnahmen an einen ihrer Gläubiger, ein Bankinstitut, abgetreten. Die gesamten Schuldforderungen übertrafen bereits vor 1938 deutlich den Wert der Liegenschaft. Zur Einbringung ihrer Forderungen gingen mehrere Pfandgläubiger seit 1933 gerichtlich gegen Isabella T. vor. Diese unternahm ihrerseits rechtliche Schritte gegen die Gläubiger, bestritt die Forderungen und versuchte, die Durchführung eingeleiteter Versteigerungsverfahren hinauszuschieben. Nach ihrer Entmündigung im Jahr 1936 wurde für Isabella T. ihr Sohn Edmund T. als Kurator eingesetzt, der seine Mutter gegenüber Gerichten und Verwaltungsbehörden vertrat.

Nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 waren noch zwei von Isabella T. angestrengte Zivilprozesse wegen Forderungen ihrer Pfandgläubiger gerichtsanhängig. Mit zwei anderen Gläubigern hatte Isabella T. Vereinbarungen geschlossen, in denen sie deren Forderungen anerkannte. Im Gegenzug verzichteten die Gläubiger bis zum Abschluss der Zivilprozesse auf die Geltendmachung ihrer Ansprüche. Schließlich erwarb der nichtjüdische Dr. Josef M. drei auf der Liegenschaft lastende Pfandrechte und leitete zu einer dieser Forderungen ein Versteigerungsverfahren ein, das 1940 bewilligt wurde. 1941 wurde die Liegenschaft versteigert und von Dr. Josef M. erworben.

1949 brachten die Erben der Isabella T. einen Rückstellungsantrag zur Liegenschaft ein, der 1950 von der Rückstellungskommission mit der Begründung abgewiesen wurde, dass es auch ohne nationalsozialistische Machtübernahme zu einer Versteigerung der Liegenschaft gekommen wäre.

In ihrer Entscheidung hatte die Schiedsinstanz die Frage zu klären, ob Isabella T. ihre Liegenschaft aufgrund ihrer Verfolgung als Jüdin veräußern musste. Die Schiedsinstanz stellte fest, dass die Veräußerung der Liegenschaft durch das NS-Regime zweifellos beschleunigt wurde. Nach Ansicht der Schiedsinstanz wäre es allerdings im konkreten Fall auch ohne das Zutun des NS-Regime, allein schon aufgrund der finanziellen Lage der Eigentümerin, zu einer Versteigerung der Liegenschaft gekommen. Da aufgrund dieser Feststellungen die unbestrittene Verfolgung der Isabella T. für die Veräußerung ihrer Liegenschaft nicht ausschlaggebend war, lehnte die Schiedsinstanz den Antrag auf Naturalrestitution ab.
Zur Verwendung durch die Medien bestimmter Text, der die Schiedsinstanz nicht bindet.
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