Entscheidung Nr. 508/2008

Antrag

 

AntragstellerIn, Status

Martha P., Ablehnung

Öffentliches Eigentum

Stadt Wien

Vermögensart

unbeweglich

Liegenschaft/en in

KG Josefstadt (01005), Wien, Wien | auf Landkarte anzeigen

Entscheidung

 

Nummer

508/2008

Datum

26.11.2008

Grund

Rückstellung in natura ex lege an die Sammelstellen A/B

Typ

materiell

Anonymisierter Volltext

Pressemitteilung

Pressemitteilung Entscheidung Nr. 508/2008

Wien, Josefstadt
Die Schiedsinstanz für Naturalrestitution hat am 26. November 2008 einen Antrag auf Restitution einer im Eigentum der Stadt Wien stehenden Liegenschaft in Wien, Josefstadt abgelehnt. Diese Liegenschaft war bereits im Jahr 1958 an die Sammelstellen, einer Auffangorganisation für nicht beanspruchtes Vermögen, zurückgestellt worden.
Die mit einem Wohnhaus bebaute Liegenschaft befand sich 1938 im Eigentum der in Wien lebenden Jüdin Chana P. Sie hatte gemeinsam mit ihrem Mann Leopold P. zwei Kinder. Die Tochter konnte als Siebzehnjährige nach England fliehen, und auch der Sohn konnte Österreich 1939 mit einem Kindertransport Richtung England verlassen. Chana P. und ihr Mann wurden im Jänner 1942 ins Ghetto Riga („Reichskommissariat Ostland“) deportiert, von wo sie nicht mehr lebend zurückkamen. Beide wurden im Jahr 1956 auf Antrag des Sohnes gerichtlich für tot erklärt, wobei ausgesprochen wurde, dass sie den 8. Mai 1945 nicht überlebt haben. Da man davon ausging, dass kein Nachlassvermögen vorhanden war, fand in beiden Fällen keine Verlassenschaftsabhandlung statt.

Chana P. hatte 1938 keine Vermögensanmeldung an die NS-Vermögensverkehrsstelle abgegeben. Sie war deswegen nach § 8 der Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden vom 26. April 1938 im Jahre 1940 zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt worden. Zudem war als Strafsanktion das nicht angemeldete Vermögen, nämlich die Liegenschaft in Wien 8., eingezogen und im Grundbuch das Deutsche Reich als Eigentümer eingetragen worden.

Nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft übernahm zunächst die Republik Österreich die Verwaltung der entzogenen Liegenschaft. Bis zum Ablauf der Rückstellungsfrist im Jahr 1956 erhob kein Rechtsnachfolger von Chana P. Anspruch auf die Liegenschaft. Damit fiel der Rückstellungsanspruch an die Sammelstellen A und B, die 1957 von der Republik Österreich in Umsetzung des Staatsvertrages von 1955 zur Geltendmachung von bisher nicht erhobenen Rückstellungsansprüchen eingerichtet worden waren. Die von den Sammelstellen aus der Verwertung der erblosen oder nicht beanspruchten Vermögen erzielten Erlöse wurden zugunsten von NS-Opfern verwendet. Im konkreten Fall erfolgte der Eigentumsübergang der Liegenschaft an die Sammelstellen durch die Auffangorganisationengesetz-Novelle 1958. Die Liegenschaftsübertragung wurde durch einen Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und das Burgenland festgestellt. 1960 verkauften die Sammelstellen die Liegenschaft an eine gemeinnützige Bau-, Wohn- und Siedlungsgenossenschaft. Diese verkaufte 1963 die Liegenschaft an die Stadt Wien weiter, die das Haus demolieren ließ und einen städtischen Wohnbau auf dem Grundstück errichtete.

Die Witwe des Sohnes von Chana P. beantragte nun bei der Schiedsinstanz die Rückstellung der Liegenschaft.

In Fortführung ihrer bisherigen Entscheidungspraxis bejahte die Schiedsinstanz in ihrer rechtlichen Beurteilung das Vorliegen eines „früheren Verfahrens“ im Sinne des Entschädigungsfondsgesetzes, da die Sammelstellen – beschränkt auf die Rückstellungsansprüche – als Einzelrechtsnachfolger der in der NS-Zeit geschädigten Eigentümer galten. Da die gegenständliche Liegenschaft 1959 auch faktisch an die Sammelstellen übergeben worden ist, wurden die Rückstellungsansprüche zur Gänze erfüllt. Wie die Schiedsinstanz bereits ausgesprochen hat, ist ihr aus diesen Gründen eine nochmalige Entscheidung auf Rückstellung verwehrt.
Zur Verwendung durch die Medien bestimmter Text, der die Schiedsinstanz nicht bindet.
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