Entscheidung Nr. 515/2009

Antrag

 

AntragstellerIn, Status

Daniel Maurus Matthias K., Ablehnung
Gabriele R., Ablehnung

Öffentliches Eigentum

Republik Österreich
Stadt Wien

Vermögensart

unbeweglich

Liegenschaft/en in

KG Pötzleinsdorf (01510), Wien, Wien | auf Landkarte anzeigen

Entscheidung

 

Nummer

515/2009

Datum

20.01.2009

Gründe

Keine Zuständigkeit der Schiedsinstanz bzw. kein Anwendungsbereich des EF-G
Keine "extreme Ungerechtigkeit" iSd § 32 Abs 2 Z 1 EF-G
Antrag verfristet
Keine Entziehung iSd EF-G

Typ

materiell

Anonymisierter Volltext

Pressemitteilung

Pressemitteilung Entscheidung Nr. 515/2009

Wien, Pötzleinsdorf
Die Schiedsinstanz für Naturalrestitution hat am 20. Jänner 2009 den Antrag auf Naturalrestitution zweier Liegenschaften im Eigentum der Republik Österreich und mehrerer Grundstücksflächen im Eigentum der Stadt Wien in Wien, Pötzleinsdorf, abgelehnt. Eine 1941 entzogene Liegenschaft war im Jahr 1950 bereits Gegenstand eines Rückstellungsvergleiches, in dem die Schiedsinstanz keine Hinweise auf eine "extreme Ungerechtigkeit" finden konnte. Die zweite Liegenschaft war 1938/39 an die Stadt Wien verkauft bzw. an das öffentliche Gut abgetreten worden. Diese Transaktion stand nach Überzeugung der Schiedsinstanz in keinem ursächlichen Zusammenhang mit der Verfolgung der früheren EigentümerInnen.
Die beiden benachbarten Liegenschaften mit einer Gesamtfläche von rund 8.200 m² umfassten eine Anfang des 19. Jahrhunderts erbaute Villa, mehrere Nebengebäude und einen Park. Diese sowie mehrere in der näheren Umgebung liegende Baugründe im Ausmaß von rund 17.000 m² standen im Jahr 1938 im Eigentum der Erben des 1930 verstorbenen Industriellen Isidor M. - Käthe B., Marie K., Anna Maria M., Heinrich Mathias M., Konrad Michael M., Lorenz Sebastian M. und Stephan M. Aufgrund einer Wechselverpflichtung Isidor M.s gegenüber der Österreichischen Nationalbank (OeNB) war auf den Liegenschaften seit 1929 ein Pfandrecht in der Höhe von 775.000,- Schilling eingetragen. Bis zum Jahr 1938 war lediglich ein Teil der inzwischen angefallenen Zinsen bezahlt worden, die Kapitalforderung blieb jedoch unberichtigt.

Ab 1938 bemühte sich die Reichsbank, die nach dem "Anschluss" die Geschäfte der OeNB übernommen hatte, die Forderung durch einen Verkauf der Liegenschaften teilweise hereinzubringen. Da dies mit Ausnahme einer einzigen Liegenschaft nicht gelang, plante die Reichsbank ab 1941, die übrigen Liegenschaften in ihr Eigentum zu übernehmen. Nachdem die EigentümerInnen, die nach den "Nürnberger Gesetzen" als Jüdinnen bzw. Juden galten, ins Ausland geflüchtet waren, verfielen die Liegenschaften aufgrund der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz dem Deutschen Reich, das sie 1944 der Reichsbank gegen Anrechnung des Schätzwertes von knapp 300.000,- Reichsmark auf ihre Forderung übertrug.

Im Jahr 1945 ging das Eigentumsrecht an den Liegenschaften auf die OeNB über, die eine der nunmehr beantragten Liegenschaften, die die Villa und einen Großteil des Parks umfasste, 1948 an die Republik Österreich verkaufte. In den folgenden Jahren wurde das unter Denkmalschutz stehende, stark heruntergekommene Gebäude mit hohem finanziellen Aufwand renoviert.

Im Jahr 1950 schlossen die Erben nach Isidor M. mit der OeNB einen Vergleich. Darin verzichteten sie auf die Rückstellung der 1941 entzogenen Liegenschaften - darunter auch jene, die 1948 an die Republik verkauft worden war. Im Gegenzug verzichtete die OeNB auf ihre Restforderung aus der Wechselschuld gegen die früheren EigentümerInnen und stellte ihnen ein Baugrundstück zurück. Eine der beantragten Teilflächen, die 1951 von der OeNB an das öffentliche Gut abgetreten wurde, war ebenfalls vom Vergleich umfasst.

Die Schiedsinstanz hatte daher zu prüfen, ob der Vergleich als "extrem ungerecht" zu qualifizieren sei. Dabei war in Rechnung zu stellen, dass die früheren EigentümerInnen im Falle einer Rückstellung nicht nur den auf die ursprüngliche Forderung der OeNB im Jahr 1944 angerechneten Schätzwert und einen großen Teil der Renovierungskosten zurückzuzahlen gehabt hätten. Die OeNB hatte überdies gegen sie noch eine Restforderung von mindestens 440.000,- Schilling, aufgrund derer sie die Liegenschaften jederzeit zur Versteigerung bringen hätte können. Aufgrund der hohen Kosten, die mit der Rückstellung verbunden gewesen wären, und des Risikos, bei einer Versteigerung der Liegenschaften nicht den vollen Wert erzielen zu können, erschien der Vergleich aus Sicht der früheren EigentümerInnen bzw. deren ErbInnen wirtschaftlich nachvollziehbar. Auch konnte die Schiedsinstanz nicht feststellen, dass ihre Privatautonomie zum Zeitpunkt des Vergleichs entscheidend eingeschränkt gewesen wäre. Aus diesem Grund konnte die Rückstellung nicht empfohlen werden.

Hinsichtlich der zweiten beantragten Liegenschaft und zweier Teilflächen hatte die Schiedsinstanz zu prüfen, ob eine Vermögensentziehung im Sinne des Entschädigungsfondsgesetzes vorlag. Eine solche setzt einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Verfolgung und dem Verkauf der Liegenschaften voraus.

Die Stadt Wien hatte mit den EigentümerInnen bereits vor 1938 über die Abtretung der beiden Teilflächen für eine seit dem Jahr 1930 geplante Straßenverbreiterung verhandelt. Im Juli 1938 vereinbarten beide Seiten darüber hinaus auch den Verkauf der Liegenschaft. Da der Kaufpreis angemessen war, den EigentümerInnen der Kaufpreis gänzlich zu Gute kam und die Verhandlungen bereits vor 1938 begonnen worden waren, sah die Schiedsinstanz diesen Zusammenhang zwischen der unbestrittenen Verfolgung der EigentümerInnen und dem Verkauf nicht als gegeben an.

Daher konnte die Schiedsinstanz auch die Rückstellung dieser Liegenschaft, die 1954 an die Republik Österreich verkauft wurde, und zweier Teilflächen, die im Eigentum der Stadt Wien blieben, nicht empfehlen.
Zur Verwendung durch die Medien bestimmter Text, der die Schiedsinstanz nicht bindet.
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