Entscheidung Nr. 531/2009

Antrag

 

AntragstellerIn, Status

Alexander I., Ablehnung
Michael I., Ablehnung

Öffentliches Eigentum

Republik Österreich

Vermögensart

unbeweglich

Liegenschaft/en in

KG Pötzleinsdorf (01510), Wien, Wien | auf Landkarte anzeigen

Entscheidung

 

Nummer

531/2009

Datum

03.03.2009

Gründe

Rückstellung nach 1945 bereits erfolgt
Keine Zuständigkeit der Schiedsinstanz bzw. kein Anwendungsbereich des EF-G

Typ

materiell

Anonymisierter Volltext

Pressemitteilung

Pressemitteilung Entscheidung Nr. 531/2009

Wien, Währing
Die Schiedsinstanz für Naturalrestitution hat am 3. März 2009 die Rückstellung von vier Liegenschaften mit einer Gesamtfläche von rund 20.000 m² in Wien-Währing abgelehnt. Die großteils im Eigentum der BUWOG stehenden Liegenschaften waren bereits Ende der 1940/Anfang der 1950er Jahre an die beiden ErbInnen des geschädigten Eigentümers zurückgestellt worden. Demnach konnte die Schiedsinstanz keine Empfehlung auf erneute Restitution aussprechen.
Die ursprünglich eine Einheit bildende Liegenschaft stand im Jahr 1938 im Eigentum des Holzindustriellen Friedrich R. Dieser war zwar Angehöriger der evangelischen Religionsgemeinschaft, aufgrund seiner jüdischen Vorfahren jedoch der Verfolgung durch das NS-Regime ausgesetzt. Auf der Liegenschaft befand sich ein in den 1910er Jahren erbautes, schlossartiges Gebäude, die sogenannte Villa R., samt Palmenhaus und Gartensalon. Die unbebauten Flächen waren als parkähnliche Gartenanlage ausgestaltet.

Im März 1941 musste Friedrich R. die Liegenschaft mitsamt wertvollem Inventar um 550.000,- Reichsmark an die nationalsozialistische Deutsche Arbeitsfront (DAF) verkaufen. Kurze Zeit später starb Friedrich R. in seiner Villa. Mit Unterstützung der Familienanwälte konnte das Verlassenschaftsverfahren nach Friedrich R. noch in einigermaßen geordneten Bahnen im Laufe des Jahres 1941 abgewickelt werden. Im März 1942 musste Friedrich Rs. Sohn und Erbe Paul R. jedoch vor der NS-Verfolgung aus Wien flüchten. Im September 1942 emigrierte Friedrich R.s Tochter und Erbin, die damalige italienische Staatsbürgerin Ellen I. mit ihren drei minderjährigen Kindern – darunter die zwei Antragsteller – über Split nach Florenz.

Nachdem auch Magda Goebbels, die Frau von Reichspropagandaminister Joseph Goebbels kurzzeitig Interesse am Erwerb der Liegenschaft gezeigt hatte, ging diese im Jahr 1943 auf die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) über. Diese plante auf dem Areal die Errichtung eines Erholungsheimes für kriegsversehrte Offiziere der Deutschen Wehrmacht.

Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden alle NS-Organisationen, darunter auch die NSV, verboten und deren Vermögen der wiedererrichteten Republik Österreich übertragen. Ab September 1945 diente die Villa R. den amerikanischen Besatzungstruppen als Verwaltungsgebäude.

Der aus Ungarn nach Österreich zurückgekehrte Paul R. erhielt die seinem Erbteil entsprechende Hälfte an der Liegenschaft im Jahr 1948 ohne weitere Auflagen zurückgestellt, da er den aus dem Verkauf an die DAF zustehenden Kaufpreisteil von 275.000,- Reichsmark nicht erhalten hatte. Paul R. schenkte seinen Anteil an der Liegenschaft unmittelbar nach der Rückstellung seiner Frau Therese R.

Die andere Hälfte wurde im selben Jahr von der sich weiterhin in Italien befindlichen Ellen I. beansprucht. Die zuständige Finanzlandesdirektion (FLD) für Wien, Niederösterreich und das Burgenland entschied im November 1949 ebenfalls auf Rückstellung; jedoch mit der Auflage, dass Ellen I. den ihr zugekommenen Kaufpreisteil von 250.000,- Reichsmark (= 250.000,- Schilling) zurückzahlen müsse. Der dagegen von Ellen I. erhobenen Berufung wurde stattgegeben. Die Berufungsbehörde ließ die Rückzahlungspflicht zwar aufrecht, erlaubte allerdings die Verrechnung mit den in der NS-Zeit an der Villa R. entstandenen Schäden an der Innenarchitektur. Diese waren teils durch mutwillige Zerstörung, teils durch zweckentfremdende Umbauarbeiten entstanden. Nach einer zeitaufwändigen Ermittlung der genauen Schadenshöhe anerkannte die Republik Österreich in einem mit Ellen I. im Jahr 1953 geschlossenen Vergleich, dass der entstandene Schaden den Betrag von 250.000,- Schilling übersteige. Die Rückzahlungspflicht entfiel daher. Weiters erhielt Ellen I. auch Mieteinnahmen von rund 55.000,- Schilling ausbezahlt.

Im Jahr 1954 verkaufte Ellen I. ihre Liegenschaftshälfte an die andere Hälfteeigentümerin, ihre Schwägerin Therese R. Nach mehreren Verkäufen gelangte der größte Teil der Liegenschaft in den 1960er Jahren in den Besitz der Bundeswirtschaftskammer. 1964 fiel die Villa R. einem Brand zum Opfer und wurde abgerissen. Nach Errichtung von mehreren Studentenheimen ging die Liegenschaft in den 1980er Jahren auf die BUWOG GmbH über, einer Wohnbaugesellschaft der Republik Österreich.

Die beiden Antragsteller vor der Schiedsinstanz, zwei Söhne von Ellen I., beantragten die Rückstellung einer Hälfte des im Jahr 2001 auf vier Liegenschaften aufgeteilten ursprünglichen Areals. Da diese bereits 1949 an Ellen I. zurückgegeben worden war, konnte die Rückstellung nicht empfohlen werden. Für den von den Antragstellern unter anderem geltend gemachten Verlust an Inventar der Villa R. sieht das Entschädigungsfondsgesetz die Möglichkeit einer monetären Abgeltung vor. Die Entscheidung darüber fällt jedoch nicht in die Kompetenz der Schiedsinstanz.
Zur Verwendung durch die Medien bestimmter Text, der die Schiedsinstanz nicht bindet.
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