Entscheidung Nr. 552/2009

Antrag

 

AntragstellerIn, Status

Susan B., Ablehnung
Daniela T., Ablehnung

Öffentliches Eigentum

Stadt Wien

Vermögensart

unbeweglich

Liegenschaft/en in

KG Landstraße (01006), Wien, Wien | auf Landkarte anzeigen

Entscheidung

 

Nummer

552/2009

Datum

22.04.2009

Grund

Keine "extreme Ungerechtigkeit" iSd § 32 Abs 2 Z 1 EF-G

Typ

materiell

Anonymisierter Volltext

Pressemitteilung

Pressemitteilung Entscheidung Nr. 552/2009

Wien, Landstraße
Die Schiedsinstanz für Naturalrestitution hat am 22. April 2009 den Antrag auf Naturalrestitution einer Liegenschaft im Eigentum der Stadt Wien in Wien, Landstraße, abgelehnt. Die beantragte Liegenschaft war im Jahr 1950 Gegenstand eines Rückstellungsvergleiches, der im Ergebnis keine „extreme Ungerechtigkeit“ dargestellt hat.

Die beantragte Liegenschaft in Wien, Bezirk Landstraße, auf der sich ein im Jahre 1832 erbautes, zweigeschossiges Haus, ein Hoftrakt und eine Garage befanden, stand im Jahre 1938 im Alleineigentum von Ida T. Sie hatte die Liegenschaft im Jahre 1934 im Wege einer Zwangsversteigerung um 20.400,- Schilling erworben.

Nach dem „Anschluss“ floh Ida T. aus Wien zu ihrem Sohn Paul T. nach Prag, während ihr zweiter Sohn Friedrich T. nach England und 1940 in die USA emigrierte.

Im Jahre 1939 plante die Stadt Wien die Liegenschaft von Ida T. zu erwerben, um darauf unter Einbeziehung weiterer Liegenschaften einen großen Wohnkomplex zu errichten. Erst nachdem Ida T. mit Enteignung gedroht worden war, stimmte sie dem Verkauf zu. Ein Teil des Kaufpreises von 21.000,- Reichsmark wurde zur Abdeckung einer aushaftenden Hypothek verwendet, der Rest auf ein Sperrkonto überwiesen. In der Folge wurde der geplante Wohnbau aufgrund der Kriegsereignisse jedoch nicht realisiert.

Im Juli 1942 wurde Ida T. nach Theresienstadt deportiert und im Herbst 1942 im Vernichtungslager Treblinka ermordet. Paul T. emigrierte 1948 von Prag nach Australien.

1946 stellten die Söhne Ida T.s erstmals Rückstellungsansprüche, woraufhin es zu langwierigen Verhandlungen mit der Stadt Wien kam, da man sich weder über den Wert der Liegenschaft noch über die Höhe der von der Stadt Wien gemachten Aufwendungen einigen konnte. Im Juli 1949 wurde vor der Rückstellungskommission Wien ein Vergleich geschlossen, wonach die Brüder T. die Liegenschaft gegen Bezahlung von 8.200,- Schilling zurückgestellt erhalten sollten. Aufgrund ihrer durch Verfolgung und Flucht bedingten prekären finanziellen Situation waren die Rückstellungswerber jedoch nicht in der Lage, den vereinbarten Betrag, der sich aus dem Ersatz für die Bezahlung der Hypothek durch die Stadt Wien im Jahre 1942 und für gemachte Aufwendungen zusammensetzte, aufzubringen. In der Folge wurde im Juni 1950 ein weitere Vergleich geschlossen. Dabei verzichteten die Rückstellungswerber gegen Bezahlung von 29.000,- Schilling auf die Rückstellung der Liegenschaft.

Die Schiedsinstanz hatte diesen Vergleich auf das Vorliegen einer „extremen Ungerechtigkeit“ im Sinne des Entschädigungsfondsgesetzes zu prüfen und stellte fest, dass die Privatautonomie der Gebrüder T. beim Vergleichsabschluss beeinträchtigt war, weil ihnen die Wahlmöglichkeit zwischen der tatsächlichen Rückstellung der Liegenschaft und einer bloßen Abschlagzahlung – wie sie letztlich auch vereinbart wurde – durch ihre schlechte finanzielle Situation genommen wurde. Demgegenüber war die Wahlmöglichkeit der Stadt Wien nicht eingeschränkt. Zudem zeigte sich, dass die Stadt Wien gegenüber den Rückstellungswerbern unter anderem unberechtigte Forderungen bewusst aufrecht erhalten hatte. Letztlich konnte aber nicht festgestellt werden, dass die Stadt Wien dieses Gefälle an Wahlmöglichkeiten zu ihren Gunsten ausgenutzt hat: Aufgrund der Berechnungen der Schiedsinstanz unter Berücksichtigung der damaligen Rückstellungsgesetze wäre den Rückstellungswerbern nur ein etwa 1.100,- Schilling höherer Betrag als der im Vergleich tatsächlich vereinbarte zugestanden. Trotz der festgestellten Einschränkung der Privatautonomie war der Vergleich daher im Ergebnis nicht als „extrem ungerecht“ zu werten. Der Antrag auf Rückstellung der beantragten Liegenschaft war daher abzulehnen.

Zur Verwendung durch die Medien bestimmter Text, der die Schiedsinstanz nicht bindet.
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