Entscheidung Nr. 622/2010

Antrag

 

AntragstellerIn, Status

Helga S., Ablehnung

Öffentliches Eigentum

Stadt Wien

Vermögensart

unbeweglich

Liegenschaft/en in

KG Tullnerbach (01908), Tullnerbach, Niederösterreich | auf Landkarte anzeigen
KG Klosterneuburg (01704), Klosterneuburg, Niederösterreich | auf Landkarte anzeigen
KG Oberdöbling (01508), Wien, Wien | auf Landkarte anzeigen
KG Wieden (01011), Wien, Wien | auf Landkarte anzeigen
KG Neubau (01010), Wien, Wien | auf Landkarte anzeigen
KG Mariahilf (01009), Wien, Wien | auf Landkarte anzeigen
KG Landstraße (01006), Wien, Wien | auf Landkarte anzeigen
KG Innere Stadt (01004), Wien, Wien | auf Landkarte anzeigen
KG Alsergrund (01002), Wien, Wien | auf Landkarte anzeigen
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Entscheidung

 

Nummer

622/2010

Datum

25.01.2010

Gründe

Rückstellung nach 1945 bereits erfolgt
Keine Rechtsnachfolge
Keine Zuständigkeit der Schiedsinstanz bzw. kein Anwendungsbereich des EF-G
Kein Eigentum 1938-1945

Typ

materiell

Anonymisierter Volltext

Pressemitteilung

Pressemitteilung Entscheidung Nr. 622/2010

Wien, KG Innere Stadt und andere
Die Schiedsinstanz für Naturalrestitution lehnte am 25. Jänner 2010 einen Antrag auf Restitution mehrerer Liegenschaften in Wien, Tullnerbach und Klosterneuburg ab. Die beantragten Liegenschaften standen großteils nicht im öffentlichen Eigentum. Zwei im öffentlichen Eigentum befindliche Liegenschaften waren bereits in der Nachkriegszeit zurückgestellt worden.

Die beantragten Liegenschaften, der Großteil davon in Wien, befanden sich 1938 im Eigentum von Arnold und Margit L., Eduard und Gisela S., Alois S. und Max S. Sie alle galten im Sinne der nach dem „Anschluss“ Österreichs eingeführten Nürnberger Gesetze von 1935 als Juden und wurden vom nationalsozialistischen Regime verfolgt.

Die verstorbene Antragstellerin Helga S. war die Tochter von Arnold und Margit L. Sie konnte gemeinsam mit ihren Eltern Ende 1938 in die USA emigrieren. Ein im April 1939 vom Staatskommissar für die Privatwirtschaft bestellter Treuhänder verkaufte in den Jahren 1938/39 die allesamt in Wien gelegenen neun Liegenschaften von Arnold und Margit L.

Margit L. war die Tochter von Eduard und Gisela S., die ihrerseits neben einer Liegenschaft in Wien, Döbling auch EigentümerInnen von Baugründen in Tullnerbach waren. In den Jahren 1939/1940 verkauften sie die meisten Liegenschaften an Privatpersonen, wobei 1943 zwei Grundstücke als Straßengrund in das Eigentum der Gemeinde Tullnerbach übertragen wurden. Eduard S., der 1940 starb, war gemeinsam mit seinem Bruder Alois zudem Miteigentümer einer Liegenschaft in Wien, Mariahilf, die 1942 durch einen Treuhänder an das Deutsche Reich verkauft wurde und eines Theaters in Wien, Landstraße, das 1938 an die Stadt Wien verkauft wurde.

Max S., ein Bruder von Eduard und Alois S., war Miteigentümer einer Liegenschaft im ersten Wiener Gemeindebezirk und einer Liegenschaft in Klosterneuburg. Seine Anteile an der erstgenannten Liegenschaft wurden 1940 durch einen Treuhänder an einen der NSDAP nahestehenden Verlag verkauft. Im selben Jahr verkaufte Max S. seine Liegenschaft in Klosterneuburg. 

Nach dem Ende des nationalsozialistischen Regimes stellte Margit L. als Erbin ihres 1940 in New York verstorbenen Gatten Arnold L., als Miterbin ihrer verstorbenen Eltern Gisela und Eduard S. sowie ihres ebenfalls verstorbenen Onkels Alois S. ebenso wie Anna S. als Erbin ihres 1943 verstorbenen Gatten Max S. Anträge auf Rückstellung jener entzogenen Liegenschaften, die nunmehr Gegenstand des von Helga S. bei der Schiedsinstanz für Naturalrestitution gestellten Antrags auf Naturalrestitution waren.

Anna S. schloss im April 1957 und im Dezember 1949 hinsichtlich der Liegenschaft im ersten Wiener Gemeindebezirk bzw. jener in Klosterneuburg Vergleiche ab und verzichtete gegen eine Ausgleichszahlung auf eine Rückstellung in Natura. Hinsichtlich dieser beiden Liegenschaften kam die Schiedsinstanz zu dem Ergebnis, dass kein Erbrecht der Antragstellerin nach dem ursprünglichen Eigentümer Max. S. vorlag. Der Antrag auf Rückstellung dieser Liegenschaften war daher von der Schiedsinstanz abzulehnen. 

Von den übrigen beantragten Liegenschaften bzw. Liegenschaftsanteilen wurden acht an Margit L. bzw. ihre Miterben in den Jahren 1949 bis 1953 rückgestellt. In der Folge verkaufte Margit L. diese weiter. Hinsichtlich dreier weiterer entzogener Liegenschaften schloss Margit L. Vergleiche und verzichtete somit gegen Ausgleichszahlungen auf deren Rückstellung. Neun dieser Liegenschaften befanden sich zum Stichtag 17. Jänner 2001 in Privatbesitz. Somit fehlte eine wesentliche Voraussetzung für eine Naturalrestitution nach dem Entschädigungsfondsgesetz (EF-G).

Zwei Liegenschaften in Wien, Mariahilf und Wieden befanden sich zum Stichtag im öffentlichen Eigentum (Stadt Wien). Da diese Liegenschaften nach 1945 bereits zur Gänze an Margit L. rückgestellt und in der Folge von ihr weiterverkauft worden waren, konnte die Schiedsinstanz keine Empfehlung auf erneute Restitution dieser Liegenschaften aussprechen. 

Die beantragten Liegenschaften in Tullnerbach befanden sich zum Stichtag zum Großteil in Privatbesitz. Eines der beiden abgeschriebenen Grundstücke war zum Stichtag im Eigentum der Marktgemeinde Tullnerbach, die sich dem Verfahren der Schiedsinstanz jedoch nicht angeschlossen hat. Die Schiedsinstanz stellte darüber hinaus fest, dass diese Grundstücksfläche im Jahr 1943 auf Antrag von Gisela S. aufgrund eines gültigen Parzellierungsplans aus dem Jahr 1895 in das Eigentum der Gemeinde Tullnerbach übergegangen ist.. Der Eigentumsübergang im Jahre 1943 stellte somit keine Entziehung im Sinne des EF-G dar.

Zur Verwendung durch die Medien bestimmter Text, der die Schiedsinstanz nicht bindet.
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