Entscheidung Nr. 643/2010

Antrag

 

AntragstellerIn, Status

Gina S., Empfehlung
Michael W., Empfehlung
Richard Denis W., Empfehlung

Öffentliches Eigentum

Republik Österreich

Vermögensart

unbeweglich

Liegenschaft/en in

KG Süssenbrunn (01668), Wien, Wien | auf Landkarte anzeigen

Entscheidung

 

Nummer

643/2010

Datum

21.04.2010

Gründe

Keine Zuständigkeit der Schiedsinstanz bzw. kein Anwendungsbereich des EF-G
"Extreme Ungerechtigkeit" iSd § 32 Abs 2 Z 1 EF-G

Typ

materiell

Anonymisierter Volltext

Verbundene Entscheidung

Pressemitteilung

Pressemitteilung Entscheidung Nr. 643/2010

Wien, Süßenbrunn
Die Schiedsinstanz für Naturalrestitution hat am 21. April 2010 die Rückstellung von Teilflächen einer der Bundesimmobiliengesellschaft gehörenden Liegenschaft in Wien, Süßenbrunn empfohlen. Diese Flächen waren bereits Gegenstand eines früheren Verfahrens gewesen, jedoch stellte der im Jahr 1959 geschlossene Vergleich eine extreme Ungerechtigkeit nach dem Entschädigungsfondsgesetz dar.

Der an die Schiedsinstanz herangetragene Fall bezog sich auf die restlichen 13.664 m² von insgesamt 73.051 m² an Ackerflächen, die der jüdischen Eigentümer Salomon W. im Jahr 1941 an die Deutsche Luftwaffe verkaufen hatte müssen. Diese hatte nach dem „Anschluss“ im Gebiet der ehemals niederösterreichischen Gemeinde Süßenbrunn mit der Errichtung einer militärischen Schießanlage begonnen und zu diesem Zweck zahlreiche Ackerflächen privater Grundeigentümer in Anspruch genommen. Diese konnten sich im Gegensatz zu Salomon W. bis zum Ende des NS-Regimes erfolgreich gegen einen Verkauf/eine Übertragung ihrer Äcker an die Deutsche Luftwaffe wehren.

Der damalige Kaufpreis von rund 18.000,– Reichsmark wurde 1942 zur „Bezahlung“ der so genannten Sühneabgabe verwendet. Dem ob der Verfolgung durch das NS-Regime in Wien untergetauchten Salomon W. kam davon nichts zu Gute.

Im Mai 1948 beantragte Salomon W. die Rückstellung der ihm vom Deutschen Reich entzogenen Ackerflächen. Da diese Vermögenswerte als von den alliierten Besatzungsmächten beanspruchtes „Deutsches Eigentum“ galten, verweigerten die österreichischen Gerichte bis zum Abschluss des Staatsvertrages 1955 eine Verhandlung über den Rückstellungsanspruch. Mit dem Staatsvertrag wurde die Republik Österreich Eigentümerin der beantragten Flächen.

In dem ab 1956 von Salomon W. gegen die Republik Österreich weiter geführten Rückstellungsverfahren legte diese eine ausgesprochene Verzögerungstaktik an den Tag und bestritt schließlich überhaupt das Vorliegen einer Vermögensentziehung. Nach langwierigen Verhandlungen gaben sich die Söhne des zwischenzeitlich verstorbenen Salomon W. in einem Vergleich aus dem Jahr 1959 mit einer Rückstellung von rund 60.000 m² der ursprünglich verkauften Flächen von mehr als 73.000 m² zufrieden. Auf den Rest verzichteten sie; eine Fläche von 13.664 m² verblieb daher im Eigentum der Republik Österreich.

Die drei AntragstellerInnen vor der Schiedsinstanz, EnkelInnen von Salomon W., machten eine extreme Ungerechtigkeit des 1959 geschlossenen Vergleiches hinsichtlich der nicht rückgestellten Flächen geltend. Die Schiedsinstanz kam in ihrer rechtlichen Begründung zum Ergebnis, dass der Verkauf im Jahr 1941 sowohl nach den nach 1945 geltenden Rückstellungsgesetzen als auch nach dem Entschädigungsfondsgesetz eine NS-bedingte Vermögensentziehung dargestellt hatte. Bei der Beurteilung des von 1948 bis 1959 geführten Rückstellungsverfahrens stellte die Schiedsinstanz fest, dass die Republik Österreich gesetzliche und faktische Spielräume in einer solchen Art und Weise zulasten des geschädigten Eigentümers Salomon W. ausgenützt hatte, dass der erklärte Verzicht auf die 13.664 m² eine extreme Ungerechtigkeit dargestellt hat.

Davon konnte die Schiedsinstanz allerdings nur etwas mehr als 9.000 m² zur Rückstellung empfehlen; der Rest von knapp 4.500 m² stand zum Stichtag nach dem Entschädigungsfondsgesetz, dem 17. Jänner 2001, nicht mehr im öffentlichen Eigentum.

Zur Verwendung durch die Medien bestimmter Text, der die Schiedsinstanz nicht bindet.
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