Entscheidung Nr. 721/2010
Antrag
AntragstellerIn, Status
Susan E., Ablehnung
Renee F., Ablehnung
Mario M. M., Ablehnung
Adrienne O., Ablehnung
Öffentliches Eigentum
Vermögensart
Liegenschaft/en in
Entscheidung
Nummer
Datum
Grund
Typ
Anonymisierter Volltext
Pressemitteilung
Pressemitteilung Entscheidung Nr. 721/2010
Die mit einem vierstöckigen Haus bebaute Liegenschaft im Zweiten Wiener Gemeindebezirk gehörte 1938 dem jüdischen Ehepaar Hermann und Irene E. Im August 1939 flüchteten die beiden zu ihrer Tochter Gertrude M. nach Venedig und verblieben dort bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges.
Noch vor ihrer Flucht hatten sie dem für die Vertretung von Jüdinnen und Juden zugelassenen Konsulenten und früheren Rechtsanwalt Rudolf H. eine unbeschränkte Vollmacht zum Verkauf ihrer Liegenschaft erteilt. Auf Grundlage dieser Vollmacht schloss Rudolf H. namens des Ehepaares E. im Oktober 1939 mit den Eheleuten Rudolf und Rosa S. einen Kaufvertrag über die Liegenschaft. Der Kaufpreis von knapp 70.000,– Reichsmark wurde zum Großteil für die Bezahlung diskriminierender Steuern und Abgaben und für die Kosten des Verkaufes verwendet. Ein Restbetrag von rund 8.700,– Reichsmark wurde schließlich auf einem Sperrkonto erlegt.
Durch die Kriegsereignisse wurde das auf der Liegenschaft befindliche Wohnhaus komplett zerstört.
Im Juni 1947 beantragten die nunmehr in England wohnhaften Hermann und Irene E. bei der Rückstellungskommission Wien die Rückstellung der Liegenschaft. Im Juni 1949 wurde das Ehepaar S. für schuldig erkannt, diese sofort zurückzustellen. Im Gegenzug wurden Hermann und Irene E. allerdings verpflichtet, vom Kaufpreis einen Teilbetrag von rund 56.000,– Schilling binnen drei Monaten an Rudolf und Rosa S. zurückzuzahlen. Gegen diese Entscheidung wurde jedenfalls vom Ehepaar S. Beschwerde erhoben. Diese blieb allerdings erfolglos, so dass die Entscheidung der Rückstellungskommission Wien im Oktober 1949 rechtskräftig wurde.
Weitere Aktivitäten des Ehepaares E. in Bezug auf die Liegenschaft sind nicht mehr dokumentiert. Beide ließen sich weder im Grundbuch als EigentümerInnen eintragen, noch haben sie die Liegenschaft weiterverkauft oder in einer sonstigen Form darüber verfügt.
Im Oktober 1951 kam es schließlich auf Betreiben von Rudolf und Rosa S. zur Zwangsversteigerung der Liegenschaft. Dabei erhielt die Stadt Wien um 65.000,– Schilling den Zuschlag. Mit diesem Betrag wurde zunächst die Forderung des Ehepaares S. von 56.000,– Schilling samt Zinsen und Kosten des Exekutionsverfahrens bezahlt. Der Restbetrag von knapp 2.000,– Schilling wurde dem Ehepaar E. zugewiesen.
Die nunmehrigen AntragstellerInnen vor der Schiedsinstanz, die fünf Enkelsöhne und -töchter der früheren EigentümerInnen Hermann und Irene E., stützten ihren Rückstellungsantrag darauf, dass die Entscheidung der Rückstellungskommission Wien vom Juni 1949 „extrem ungerecht“ im Sinne des Entschädigungsfondsgesetzes gewesen sei. Da ihre Großeltern von dem Kaufpreis nichts erhalten hätten, hätten sie ihn nach den damals geltenden Rückstellungsgesetzen auch nicht zurückzahlen müssen.
Da über den vor der Schiedsinstanz geltend gemachten Anspruch auf Rückstellung der Liegenschaft im Rahmen eines früheren Verfahrens jedoch schon einmal zugunsten der geschädigten EigentümerInnen entschieden worden war, konnte die Schiedsinstanz die Rückgabe nicht ein weiteres Mal empfehlen. Darüber hinaus waren die von den AntragstellerInnen behaupteten Fehler in der Entscheidung der Rückstellungskommission Wien bereits im Rahmen anderer Entschädigungsmaßnahmen für NS-Opfer berücksichtigt worden.
Für Rückfragen: presse@nationalfonds.org