Entscheidung Nr. 751/2011

Antrag

 

AntragstellerIn, Status

Ronald L., Ablehnung
Steven L., Ablehnung
Lawrence N., Ablehnung
Joan S., Ablehnung

Öffentliches Eigentum

Stadt Wien

Vermögensart

unbeweglich

Liegenschaft/en in

KG Innere Stadt (01004), Wien, Wien | auf Landkarte anzeigen

Entscheidung

 

Nummer

751/2011

Datum

28.06.2011

Grund

Keine "extreme Ungerechtigkeit" iSd § 32 Abs 2 Z 1 EF-G

Typ

materiell

Anonymisierter Volltext

Pressemitteilung

Pressemitteilung Entscheidung Nr. 751/2011

Wien, KG Innere Stadt
Die Schiedsinstanz für Naturalrestitution lehnte am 28. Juni 2011 vier Anträge auf Restitution von 965 m2 einer Verkehrsfläche im ersten Wiener Gemeindebezirk ab. Die ursprünglich bebauten Liegenschaften mussten im Zuge der NS-Verfolgung vom jüdischen Eigentümer verkauft werden. Die von der Erbin des ehemaligen Eigentümers geführten Rückstellungsverfahren hatten in den 1950er-Jahren jeweils mit einem Vergleich geendet. Die Schiedsinstanz konnte keine Anhaltspunkte für eine „extreme Ungerechtigkeit“ der beiden einvernehmlichen Regelungen finden.

Die beiden beantragten historischen Liegenschaften befanden sich 1938 im Eigentum des jüdischen Geschäftsmannes Rudolf L. und waren jeweils mit Wohn- und Geschäftshäusern bebaut. Nach dem „Anschluss“ wurde die Firma von Rudolf L. unter NS-Verwaltung gestellt. Um der Zahlung von Judenvermögensabgabe und Reichsfluchtsteuer nachkommen zu können, verkaufte er im Frühjahr 1939 eine Liegenschaft um 195.000,– Reichsmark an
Richard und Erich F. Nachdem Rudolf L. und seine Ehefrau Elsa L. im August 1939 nach London geflohen waren, verkaufte der Rechtsanwalt Alois B. als Vertreter von Rudolf L. die zweite Liegenschaft im November 1939 um 125.000,– Reichsmark an Josef W. und Felizitas P.

Rudolf L. verstarb 1946 in den USA. Im Juni 1949 beantragte seine Witwe Elsa L. vor der Rückstellungskommission Wien die Rückstellung beider Liegenschaften. Die darauf befindlichen Häuser waren aufgrund von Bombenschäden 1946 gesprengt worden. 1950 beschloss die Stadt Wien im Zuge der Neugestaltung des Schwedenplatzes die Umwidmung des betreffenden Gebietes in eine Verkehrsfläche. Damit war eine Naturalrestitution ausgeschlossen, da die Übertragung beider Liegenschaftsflächen ins öffentliche Gut vorgesehen war. Die Rückstellungsverfahren wurden daraufhin über die von der Stadt Wien zu zahlende Entschädigung geführt, deren endgültige Höhe erst nach mehrjährigen Gerichtsverfahren in den Jahren 1953 bzw. 1954 feststand.

Bereits 1951 hatte sich Elsa L. in einem Vergleich verpflichtet, den Rückstellungsgegnern Richard und Erich F. einen Betrag von 215.000,- Schilling aus der Entschädigungssumme für die von diesen „arisierte“ Liegenschaft zu zahlen. Aus dem im Jänner 1953 festgesetzten Betrag von 342.495,– Schilling verblieben Elsa L. daher rund 125.000,– Schilling.

Das von Elsa L. gegen Josef W. sowie Felizitas P. geführte Rückstellungsverfahren wurde 1954 ebenfalls mit einem Vergleich beendet. In diesem verpflichtete sich Elsa L. aus der Entschädigungssumme für die betreffende Liegenschaft von 264.740,– Schilling einen Betrag von 65.000,– Schilling an die RückstellungsgegnerInnen zu zahlen. Außerhalb des Vergleichs übernahm Elsa L. zusätzlich finanzielle Verpflichtungen der RückstellungsgegnerInnen in der Höhe von rund 44.000,– Schilling.

Die EnkelInnen von Rudolf und Elsa. L. machten nun die extreme Ungerechtigkeit der zwei Rückstellungsvergleiche geltend. Die Rückstellungskommission hätte keine Rückzahlung der Kaufpreise ausgesprochen, da Rudolf L. über diese nicht habe frei verfügen können. Zudem habe neben der schlechten finanziellen Lage von Elsa L. die Verzögerungstaktik der Stadt Wien zum Abschluss der für die Rückstellungswerberin ungünstigen Vergleiche beigetragen.

In ihrer rechtlichen Beurteilung prüfte die Schiedsinstanz das Zustandekommen der beiden Vergleiche und kam zu dem Schluss, dass die einvernehmlichen Regelungen keine extreme Ungerechtigkeit im Sinne des Entschädigungsfondsgesetzes dargestellt haben. Der Anwalt von Elsa L. hatte im Verfahren gegen Richard und Erich F. die freie Verfügbarkeit des gesamten Kaufpreises und somit die Rückzahlungsverpflichtung von Elsa
L. außer Streit gestellt. Auch wenn eine umsichtigere Prozessführung ihrer anwaltlichen Vertretung womöglich zu einem besseren Ergebnis für Elsa L. geführt hätte, sind Versäumnisse ihres Vertreters letztendlich ihr zuzurechnen.

Im Verfahren gegen Josef W. und Felizitas P. haben beide Parteien darauf verzichtet, die Frage der Kaufpreiszahlung durch Einvernahme des Rechtsanwaltes Alois B. vor der Rückstellungskommission zu klären. Angesichts des gleich hohen Prozessrisikos erscheint der Vergleich, der eine Rückzahlung der Hälfte des Kaufpreises festhält, der Schiedsinstanz plausibel. Dass Elsa L. außerhalb des Vergleichs weitere 44.000,– Schilling an die
RückstellungsgegnerInnen gezahlt hat, ist ebenfalls auf ein Versäumnis ihres Anwalts zurückzuführen.

Zur Verwendung durch die Medien bestimmter Text, der die Schiedsinstanz nicht bindet.
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