Entscheidung Nr. 759/2011

Antrag

 

AntragstellerIn, Status

Alzbeta V., Ablehnung

Öffentliches Eigentum

Stadt Wien

Vermögensart

unbeweglich

Liegenschaft/en in

KG Hernals (01402), Wien, Wien | auf Landkarte anzeigen

Entscheidung

 

Nummer

759/2011

Datum

30.09.2011

Grund

Keine Rechtsnachfolge

Typ

materiell

Anonymisierter Volltext

Pressemitteilung

Pressemitteilung Entscheidung Nr. 759/2011

Wien, Hernals
Die Schiedsinstanz für Naturalrestitution hat am 30. September 2011 einen Antrag auf Restitution einer Liegenschaft in Wien, Hernals abgelehnt. In ihrer rechtlichen Beurteilung kam die Schiedsinstanz zu dem Schluss, dass die Antragstellerin nach dem Entschädigungsfondsgesetz nicht antragsberechtigt ist.

Die knapp 2000 m2 große, teilweise mit einem zweistöckigen Wohnhaus bebaute Liegenschaft befand sich 1938 im Eigentum des Vaters der Antragstellerin, Fritz W. sowie dessen Brüder Robert, Karl, Alexander und Leo W. Die Eigentümer – zugleich Gesellschafter einer  Omnibusgesellschaft in Karlsbad – galten nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich im Sinne der Nürnberger Gesetze von 1935 als jüdisch und wurden verfolgt.

Fritz W. wurde im Juli 1942 von Prag in das Ghetto und Konzentrationslager Theresienstadt und anschließend in das Ghetto Baranoviči bei Minsk im heutigen Weißrussland deportiert, wo er  ermordet wurde. Fritz W.s Brüder konnten nach Lateinamerika flüchten und überlebten den Zweiten Weltkrieg im Exil. Bereits 1940 hatte eine Baumaterialienfirma die antragsgegenständliche Liegenschaft für rund 56.000,- Reichsmark im Wege einer Zwangsversteigerung erworben. Teile des Kaufpreises musste die Firma als „Entjudungsauflage“ an das Deutsche Reich bezahlen.

Nach Kriegsende erhoben die überlebenden Geschwister W.s hinsichtlich der antragsgegenständlichen Liegenschaft keine Rückstellungsansprüche gegen die Baufirma. Diese errichtete 1952 darauf ein Baustofflager, Schuppen und eine Kalkgrube. Nachdem im Zuge des Staatsvertrags von Wien 1955 die so genannten Sammelstellen eingerichtet worden waren, um in der NS-Zeit entzogenes, bislang aber unbeansprucht gebliebenes Vermögen zu beanspruchen und zu Gunsten von NS-Opfern zu verwerten, machte die zuständige Sammelstelle A 1960 gegen die Baufirma Rückstellungsansprüche auf die Liegenschaft geltend. Im Zuge dieses Verfahrens informierte die Sammelstelle die ehemaligen Eigentümer und deren Erben über das Rückstellungsverfahren, die in der Folge als so genannte Billigkeitswerber am Verfahren beteiligt waren.

1962 einigten sich die Baufirma und die Sammelstelle A in einem Vergleich vor der Rückstellungskommission Wien auf eine Abschlagszahlung in Höhe von 175.000 Schilling, worauf die Sammelstelle auf die Rückstellung der Liegenschaft verzichtete und den Erlös an die Geschwister W.s bezahlte. Von diesem Vergleich war auch der ehemalige Anteil von Fritz W. umfasst. Die Antragstellerin als dessen uneheliche Tochter war am damaligen Verfahren jedoch nicht beteiligt.

In ihrer rechtlichen Beurteilung hatte die Schiedsinstanz zunächst zu prüfen, ob die Antragstellerin als uneheliche Tochter des verstorbenen Fritz W. zum Zeitpunkt seines Todes gesetzlich erbberechtigt war. Fritz W. starb ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung, ein Verlassenschaftsverfahren wurde nicht durchgeführt. Da eheliche und uneheliche Kinder in Österreich erst ab 1989 erbrechtlich gleichgestellt wurden, ist die Antragstellerin nicht gesetzliche Erbin des Fritz W. und daher im Sinne des Entschädigungsfondsgesetzes nicht antragsberechtigt. Ihr Antrag auf Rückstellung der Liegenschaft war schon aus diesem Grund abzulehnen. Darüber hinaus wäre einer Empfehlung die frühere Entschädigungsmaßnahme – der 1962 geschlossene Vergleich – entgegen gestanden.

Zur Verwendung durch die Medien bestimmter Text, der die Schiedsinstanz nicht bindet.
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