Entscheidung Nr. 809/2011

Antrag

 

AntragstellerIn, Status

Adriana D., Ablehnung

Öffentliches Eigentum

Stadt Wien

Vermögensart

unbeweglich

Liegenschaft/en in

KG Hadersdorf (01204), Wien, Wien | auf Landkarte anzeigen

Entscheidung

 

Nummer

809/2011

Datum

30.09.2011

Grund

Keine Rechtsnachfolge

Typ

materiell

Anonymisierter Volltext

Pressemitteilung

Pressemitteilung Entscheidung Nr. 809/2011

Wien, KG Hadersdorf
Die Schiedsinstanz für Naturalrestitution hat am 30. September 2011 den Antrag auf Rückgabe zweier Liegenschaften in Wien, Hadersdorf abgelehnt, da die Antragsberechtigung der Antragstellerin nicht nachgewiesen werden konnte.

Die beantragten Liegenschaften – rund 1,4 ha Baugrund und einige kleinere, nicht bebaubare Grundstücke in der Katastralgemeinde Hadersdorf – gingen im September 1939 aufgrund einer testamentarischen Verfügung je zur Hälfte an Siegfried de M. und Karl V. Während Karl V. im Sinne der NS-Rassegesetze als „Arier“ galt, war Siegfried de M. Jude. In den Jahren 1939 und 1941 verkauften die beiden den Großteil der Bauparzellen an die Reichspost. Seinen Anteil an den verbliebenen drei Baugrundstücken sowie vier kleinere Grundstücke musste Siegfried de M. im April 1943 an Karl V. verkaufen.

Siegfried de M. wurde im November 1943 in das Konzentrationslager Buchenwald eingeliefert, wo er im Dezember 1943 starb. Auch seine Ehefrau Johanna und sein Sohn Karl wurden Ende 1943 in Ravensbrück bzw. Buchenwald ermordet. Seine Tochter Anna Maria war im März 1943 in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz deportiert worden. Nach 1945 wurden Karl und Anna Maria de M. vom Landesgericht für Zivilrechtssachen für tot erklärt, wobei das Gericht bei Karl de M. den 31. Dezember 1943, bei Anna Maria de M. den 8. Mai 1945 als jenen Tag bestimmte, den sie mit Sicherheit nicht überlebt hatten. Das Erbe Karl de M.s ging daher an Anna Maria de M., als deren Erbe schließlich Theodor Ma., der Bruder Johanna de M.s, eingesetzt wurde.

Die von der Reichspost erworbenen Grundstücke gingen nach dem Staatsvertrag von Wien 1955 in das Eigentum der Republik Österreich, Post- und Telegraphenverwaltung über. Diese verkaufte sie 1959 an zwei Privatpersonen. Karl V. verkaufte zwei Grundstücke an eine Baugesellschaft, die übrigen Grundstücke übergab er seinem Sohn Max. Dieser verkaufte vier nicht bebaubare Grundstücke 1959 an die Stadt Wien. In seinem Eigentum verblieb nur eine Bauparzelle.

Da bis zum Ablauf der Rückstellungsfrist im Jahr 1956 kein Anspruch auf die Anteile Siegfried de M.s erhoben wurde, fiel dieser Anspruch an die 1957 von der Republik Österreich eingerichteten Sammelstellen. Diese sollten bisher nicht beanspruchtes entzogenes Vermögen geltend machen und die aus dessen Verwertung erzielten Erlöse zugunsten von NS-Opfern verwenden. Die Sammelstellen führten ab 1960 gegen die Stadt Wien, Max V. und zwei private Erwerber Rückstellungsverfahren, die jeweils mit Vergleichen endeten.

Die Antragstellerin leitete ihre Antragsberechtigung von ihrem Urgroßvater ab, der ein Bruder Siegfried de M.s gewesen sei. Dokumente, die ihren Anspruch bewiesen, legte sie jedoch trotz Aufforderung nicht vor. Die Schiedsinstanz fand in ihren Recherchen ebenfalls keinen Anhaltspunkt dafür, dass es überlebende Verwandte Siegfried de M.s gegeben hätte, die nach dessen Tochter Anna Maria de M. erbberechtigt gewesen wären. Der Antrag war daher abzulehnen. Im Übrigen gaben die vorliegenden Dokumente auch keinen Hinweis darauf, dass der zwischen den Sammelstellen und der Stadt Wien im Juni 1961 geschlossene Vergleich eine extreme Ungerechtigkeit dargestellt hätte. Bei den nicht von diesem Vergleich umfassten Grundstücken lag kein öffentliches Eigentum vor.

Zur Verwendung durch die Medien bestimmter Text, der die Schiedsinstanz nicht bindet.
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