Entscheidung Nr. 818/2011
Antrag
AntragstellerIn, Status
Fritz Henrik S., Ablehnung
Gunvor Viktoria S., Ablehnung
Öffentliches Eigentum
Vermögensart
Liegenschaft/en in
Entscheidung
Nummer
Datum
Gründe
Keine "extreme Ungerechtigkeit" iSd § 32 Abs 2 Z 1 EF-G
Typ
Anonymisierter Volltext
Pressemitteilung
Pressemitteilung Entscheidung Nr. 818/2011
Auf der beantragten Liegenschaft befand sich eine 1894 erbaute Villa mit einem Postamt und mehreren vermieteten Wohnungen. Im Jahr 1938 stand die Liegenschaft zu 92/120-Anteilen im Eigentum von Karoline K., die im Sinne der Nürnberger Gesetze nach dem „Anschluss“ als Jüdin galt und verfolgt wurde. Bereits vor 1938 hatte sie auch die restlichen Anteile an der Liegenschaft erworben, war aber im Grundbuch nicht als Eigentümerin dieser Anteile eingetragen. Am 2. Juni 1939 errichtete Karoline K. ein Testament, in dem sie ihre Schwester Josefine S., die Großmutter bzw. Schwiegermutter der AntragstellerInnen, zur Alleinerbin einsetzte. Daneben setzte sie eine Reihe von Liegenschaftslegaten aus: Die beantragte Liegenschaft vermachte sie ihrem Rechtsanwalt Dr. Adalbert St. Karoline K., die kinderlos war und deren Ehemann Theodor nach dem „Novemberpogrom“ am 12. November 1938 Selbstmord begangen hatte, verstarb am 12. Juli 1939 in Wien.
Josefine S., ihr Mann Oskar und ihre Tochter Johanna wurden 1942 nach Maly Trostinec im heutigen Weißrussland deportiert, wo sie unmittelbar nach ihrer Ankunft ermordet wurden. Fritz S., der Sohn und Alleinerbe von Josefine S., war im Juni 1939 nach Schweden geflohen. Dr. St. verkaufte die ihm von Karoline K. hinterlassenen Anteile an der Liegenschaft im Jahr 1943 an Rudolf T. weiter.
Fritz S. stellte 1948 einen Antrag auf Rückstellung der Liegenschaft. Im Dezember 1950 schlossen die Verfahrensparteien Fritz S. und Rudolf T. vor der Rückstellungskommission einen Vergleich ab, demzufolge die Hälfte der entzogenen Liegenschaftsanteile an Fritz S. zurückgestellt wurden. 1958 veräußerten Fritz S. und Rudolf T. ihre Anteile an der Liegenschaft an die Republik Österreich. Nachdem sie die noch im Grundbuch eingetragenen EigentümerInnen der restlichen Anteile erfolgreich auf Herausgabe geklagt hatten, verkauften sie auch diese Anteile der Republik.
Die Liegenschaft stand zum Stichtag 17. Jänner 2001 im Eigentum der Österreichischen Post AG, deren Alleinaktionärin die im Eigentum der Republik Österreich stehende Österreichische Industrieholding AG war. Die Republik war am Stichtag zudem Eigentümerin einer im Jahr 1956 abgeschriebenen Teilfläche der beantragten Liegenschaft.
Die Schiedsinstanz hatte zu prüfen, ob der 1950 geschlossene Vergleich eine „extreme Ungerechtigkeit“ im Sinne des Entschädigungsfondsgesetzes (EF-G) darstellte. Weder aus den Angaben der AntragstellerInnen noch aus den Feststellungen der Schiedsinstanz ergaben sich Hinweise auf eine extreme Ungerechtigkeit des Rückstellungsvergleichs. Fritz S. hatte auch gegen andere Legatarinnen von Karoline K., die ebenso wenig wie Dr. St. vom NS-Regime verfolgt worden waren, Rückstellungsverfahren geführt. Da die Rückstellungskommission entschied, dass es sich bei diesen Legaten nicht um eine Entziehung gehandelt hatte, stellt die Gefahr einer Abweisung des Rückstellungsantrags von Fritz S. auch im Prozess gegen Rudolf T. eine plausible Erklärung dafür dar, dass sich Fritz S. im Vergleich mit der Hälfte des maximal möglichen Prozesserfolges begnügte. Da somit keine „extreme Ungerechtigkeit“ im Sinne des EF-G vorlag, war der Antrag auf Naturalrestitution abzulehnen.
Für Rückfragen: presse@nationalfonds.org