Entscheidung Nr. 853/2012

Antrag

 

AntragstellerIn, Status

Johanna E., Ablehnung
Alois G., Ablehnung
Johann G., Ablehnung
Heinrich Carl K., Ablehnung
Wolfgang M., Ablehnung
Ilse Z., Ablehnung

Öffentliches Eigentum

Land Niederösterreich

Vermögensart

unbeweglich

Liegenschaft/en in

KG Breitenstein (23105), Breitenstein, Niederösterreich | auf Landkarte anzeigen
KG Wald (19601), Pyhra, Niederösterreich | auf Landkarte anzeigen
KG Nützling (19534), Pyhra, Niederösterreich | auf Landkarte anzeigen
KG Michelbach Dorf (19523), Michelbach, Niederösterreich | auf Landkarte anzeigen
KG Loitzenberg (19512), Pyhra, Niederösterreich | auf Landkarte anzeigen
KG Heuberg (19480), Pyhra, Niederösterreich | auf Landkarte anzeigen
KG Auern (19406), Pyhra, Niederösterreich | auf Landkarte anzeigen
KG Schwechat (05220), Schwechat, Niederösterreich | auf Landkarte anzeigen
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Entscheidung

 

Nummer

853/2012

Datum

26.06.2012

Gründe

Keine Verfolgung iSd EF-G
Keine Zuständigkeit der Schiedsinstanz bzw. kein Anwendungsbereich des EF-G
Sonstiger Entscheidungsgrund
Keine Entziehung iSd EF-G

Typ

materiell

Anonymisierter Volltext

Verbundene Entscheidung

Pressemitteilung

Pressemitteilung Entscheidung Nr. 853/2012

Niederösterreich
Die Schiedsinstanz für Naturalrestitution lehnte am 26. Juni 2012 sechs Anträge auf Restitution mehrerer Liegenschaften in Niederösterreich ab. Die Anträge betreffend die im Eigentum des Landes Niederösterreich stehenden Liegenschaften wurden abgelehnt, da eine Vermögensentziehung im Sinne des Entschädigungsfondsgesetzes nicht gegeben war. Die übrigen beantragten Liegenschaften stellten kein öffentliches Vermögen gemäß dem Entschädigungsfondsgesetz dar.

Hans K. und seine Schwester Paula M. waren als Nachkommen der als jüdisch geltenden Familie W. nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich von den Nürnberger Gesetzen von 1935 betroffen. Paula M. galt als „Mischling I. Grades“, ihr Bruder aufgrund seiner Ehe mit der als Jüdin eingestuften Pauline K. als „jüdisch“. Die Familie K. war bemüht, über zahlreiche Interventionen einen günstigeren „Abstammungsstatus“ zu erwirken. Infolge der Abtretung umfangreicher Vermögenswerte durch die Familie W. an das Deutsche Reich wurde ein Vorfahre der Familie K. für „arisch“ erklärt, wodurch Hans K. ab Dezember 1939 als „Mischling II. Grades“ galt und seinen drei Kindern der Status von „Mischlingen I. Grades“ zuerkannt wurde. Die ErbInnen der mittlerweile verstorbenen Paula M. galten damit als „arisch“.

Hans K. und Paula M. waren zusammen mit ihrem Schwager Maximilian L. unter anderem MiteigentümerInnen der beiden Familiengüter K. und S. in Niederösterreich. Bereits vor 1938 hatten sie aufgrund wirtschaftlicher Probleme große Teile des Gutes K. unter anderem an das Land Niederösterreich verkauft. Auch waren sie spätestens ab 1937 bemüht, das Gut S. zu veräußern. Nach dem Tod von Paula M. im September 1938 und von Hans K. im Jänner 1939 führten deren Kinder als ErbInnen unter anderem aufgrund hoher Erbschaftssteuerforderungen diese Verkaufsbestrebungen fort. Parallel dazu fanden ab Frühjahr 1939 Verkaufsgespräche mit dem späteren Reichsgau Niederdonau betreffend das Gut K. statt. Nachdem der Reichsgau Niederdonau das Gut K. im September 1939 zunächst in treuhändische Verwaltung übernommen hatte, kaufte er die landwirtschaftlichen Liegenschaften im Sommer 1940.

Nach dem Ende des NS-Regimes gingen die Liegenschaften in das Eigentum des Landes Niederösterreich über. Ein Rückstellungsantrag wurde von den ErbInnen nach Hans K., Paula M. und Maximilian L. nicht gestellt. 1960 nahmen die zur Geltendmachung von Rückstellungsansprüchen ermächtigten Sammelstellen Erhebungen zum Verkauf des Gutes K. vor, brachten letztendlich aber keinen Rückstellungsantrag ein. Am 17. Jänner 2001 standen große Teile des ehemaligen Gutes K. weiterhin im Eigentum des Landes Niederösterreich, einige Liegenschaftsflächen befanden sich hingegen im Privateigentum.

Die AntragstellerInnen als RechtsnachfolgerInnen von Hans K., Paula M. und Maximilian L. machten vor der Schiedsinstanz geltend, dass das Gut K. aufgrund der „Abstammung“ der Familie K. an den Reichsgau Niederdonau verkauft habe werden müssen und auch Maximilian L. und die ErbInnen von Paula M. aufgrund ihrer Verwandschaft mit der Familie K. dazu gezwungen gewesen seien.

In ihrer rechtlichen Beurteilung prüfte die Schiedsinstanz zunächst das Vorliegen einer Verfolgung im Sinne des Entschädigungsfondsgesetzes. Dies war hinsichtlich zweier ErbInnen von Paula M. sowie Maximilian L. nicht gegeben. Hingegen waren die Familie K. sowie ein weiterer Erbe nach Paula M. unbestritten einer Verfolgung aus rassistischen  bzw. politischen Motiven ausgesetzt.

Weiters prüfte die Schiedsinstanz, ob die „Abstammung“ der Familie K. direkt oder indirekt für den Verkauf des Gutes K. an den Reichsgau Niederdonau kausal geworden war. Die Anbahnung und die Modalitäten des Kaufvertrages zeigten keine Anzeichen für das Vorliegen einer diskriminierenden Behandlung. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die VerkäuferInnen vom Reichsgau zum Verkauf genötigt worden wären oder andere NS-Behörden in diskriminierender Weise Einfluss auf den Kaufabschluss genommen hätten. Auch kam der in seiner Höhe angemessene Kaufpreis den VerkäuferInnen zur Gänze zu.

Weiters prüfte die Schiedsinstanz, ob sich durch die Vorschreibung der Judenvermögensabgabe für Hans K., die später wieder aufgehoben wurde, die Familie K. zum Verkauf gezwungen sah. Entsprechende Hinweise auf einen solchen indirekten Verkaufsdruck konnte die Schiedsinstanz jedoch nicht erkennen.

Vor dem Hintergrund der Gründung einer GmbH mit der IG Farbenindustrie AG hatte Hans K. im April 1938 einen Kaufvertrag über die Hälfte einer weiters beantragten Liegenschaftsfläche in Schwechat abgeschlossen. Eine Eintragung im Grundbuch erfolgte nicht. Nachdem er aufgrund seiner Verfolgung von weiteren Verhandlungen zur Gründung der GmbH ausgeschlossen worden war, bot er im Dezember 1938 der in der Zwischenzeit entstandenen W. S. GmbH an, statt seiner die Liegenschaftsfläche zu erwerben, woraufhin die W. S. GmbH die Liegenschaft 1939 kaufte.

Die ErbInnen von Hans K. führten 1949 ein Rückstellungsverfahren betreffend Gesellschaftsanteile an der W. S. GmbH und erhielten die Anteile samt der betreffenden Liegenschaftsfläche zurück. Die W. S. GmbH veräußerte die beantragte Liegenschaftsfläche 1957 an die ÖMV, die mittlerweile privatisiert am 17. Jänner 2001 weiterhin Eigentümerin war.

Die AntragstellerInnen machten die extreme Ungerechtigkeit der damaligen Rückstellungsentscheidung geltend. Da die notwendige Voraussetzung des Vorliegens von öffentlichem Eigentum im Sinne des Entschädigungsfondsgesetzes nicht gegeben war, waren auch diese Anträge auf Naturalrestitution abzulehnen.

Zur Verwendung durch die Medien bestimmter Text, der die Schiedsinstanz nicht bindet.
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