Entscheidung Nr. 854/2012

Antrag

 

AntragstellerIn, Status

Lucian H., Ablehnung

Öffentliches Eigentum

Stadt Wien

Vermögensart

unbeweglich

Liegenschaft/en in

KG Hietzing (01205), Wien, Wien | auf Landkarte anzeigen

Entscheidung

 

Nummer

854/2012

Datum

26.06.2012

Grund

Keine Entziehung iSd EF-G

Typ

materiell

Anonymisierter Volltext

Pressemitteilung

Pressemitteilung Entscheidung Nr. 854/2012

Wien, Hietzing
Die Schiedsinstanz für Naturalrestitution hat am 26. Juni 2012 einen Antrag auf Rückstellung einer im Eigentum der Stadt Wien stehenden Liegenschaft in Wien, Hietzing abgelehnt. Die knapp 700 Quadratmeter große Liegenschaft auf dem Küniglberg, die heute Teil einer Kleingartensiedlung ist, gehörte seit 1931 dem Arzt Dr. Josef H. und war bereits vor dem „Anschluss“ 1938 hoch verschuldet. Die Schiedsinstanz kam zu dem Schluss, dass der jüdische Voreigentümer zwar verfolgt war, aber das Eigentum an der Liegenschaft auch ohne die Machtübernahme des Nationalsozialismus in Österreich verloren hätte, da bereits 1937 die Zwangsversteigerung der Liegenschaft eingeleitet worden war.

Dr. Josef H. war im März 1938 Alleineigentümer der beantragten Liegenschaft sowie eines 1/66-Anteils an einer anderen Liegenschaft in Wien, Hietzing. Beide Liegenschaften waren seit 1929 mit einer Reihe von Pfandrechten belastet, deren Höhe jedenfalls den Wert dieser Liegenschaften erreichte. Die Stadt Wien als Gläubigerin leitete bereits im Herbst 1937 ein Zwangsversteigerungsverfahren ein. Der kurz nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Österreich erfolgte Zuschlag wurde jedoch aufgrund des Gesetzes über die Aufschiebung der Zwangsversteigerungen von Liegenschaften vom 21. März 1938 nicht rechtskräftig.

Im November 1938 erwarb der Reichsfiskus (Luftfahrt) neben zahlreichen anderen Liegenschaften auf dem Küniglberg die beantragte Parzelle. Der Kaufpreis wurde zur Begleichung der Schulden verwendet. Dr. Josef H. konnte gemeinsam mit seiner Frau und seinem Sohn, dem Antragsteller Lucian H., im Jahr 1940 über Rotterdam in die USA flüchten.

Bereits im Mai 1938 begann das Deutsche Reich, auf dem angrenzenden Liegenschaftskomplex eine Kaserne zu errichten, in der während des Zweiten Weltkrieges Fliegerabwehr-Truppen untergebracht waren. Die beantragte Liegenschaft blieb hingegen unbebaut und wurde neben weiteren, benachbarten Grundstücken ab 1948 von einem Kleingartenverein gepachtet.

Weder Dr. Josef H. beantragte nach Kriegsende die Rückstellung der Liegenschaft, noch taten dies seine ErbInnen nach seinem Tod im Jahr 1953. Mit dem Staatsvertrag von Wien ging das Eigentum an der beantragten Liegenschaft an die Republik Österreich über. Die aufgrund des Staatsvertrags eingerichteten Sammelstellen, die während der NS-Zeit entzogene und nach Kriegsende „erblos“ gebliebene Liegenschaften beanspruchten und zugunsten von NS-Opfer verwerteten, stellten 1960 bei der zuständigen Finanzlandesdirektion Wien, Niederösterreich und Burgenland einen Antrag auf Rückstellung der ehemals Dr. Josef H. gehörigen Liegenschaft. Das Rückstellungsverfahren ging bis zum Verwaltungsgerichtshof, der die Rückstellung ebenso wie die Unterinstanzen ablehnte, da der Verkauf an das Deutsche Reich keine Entziehung im Sinne des 3. Staatsvertragsdurchführungsgesetzes dargestellt habe.

In ihrer rechtlichen Beurteilung gelangte die Schiedsinstanz zu dem Schluss, dass der bei der Zwangsversteigerung im März 1938 erteilte Zuschlag ohne die nationalsozialistische Machtübernahme in Österreich rechtskräftig geworden wäre und der Vater des Antragstellers somit das Eigentum an der Liegenschaft verloren hätte. Der spätere Verkauf der Liegenschaft an das Deutsche Reich steht daher in keinem kausalen Zusammenhang mit der Verfolgung des Eigentümers Dr. Josef H. Da unter diesem Gesichtspunkt keine Vermögensentziehung aufgrund der Verfolgung des Eigentümers vorlag, lehnte die Schiedsinstanz den Antrag ab.

Zur Verwendung durch die Medien bestimmter Text, der die Schiedsinstanz nicht bindet.
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