Entscheidung Nr. 911/2013

Antrag

 

AntragstellerIn, Status

Elfriede S., Ablehnung

Öffentliches Eigentum

Republik Österreich

Vermögensart

unbeweglich

Liegenschaft/en in

KG St. Martin an der Raab (31127), Sankt Martin an der Raab, Burgenland | auf Landkarte anzeigen

Entscheidung

 

Nummer

911/2013

Datum

19.03.2013

Grund

Keine Rechtsnachfolge

Typ

materiell

Anonymisierter Volltext

Pressemitteilung

Pressemitteilung Entscheidung Nr. 911/2013

Burgenland, St. Martin an der Raab
Die Schiedsinstanz für Naturalrestitution hat am 19. März 2013 einen Antrag auf Rückgabe einer Liegenschaft in St. Martin an der Raab, Bezirk Jennersdorf abgelehnt. Die Antragstellerin konnte ihre Erbberechtigung nach den ursprünglichen Eigentümern nicht nachweisen, weshalb die Schiedsinstanz bereits die Antragsberechtigung verneinte.

Die beantragte Liegenschaft stand 1938 im Eigentum von Josef S. und seinem ältesten Sohn Franz S. Beide wurden von den NS-Behörden als „Zigeuner“ kategorisiert und als solche verfolgt. Josef S. wurde im Juni 1938 in das Konzentrationslager Dachau verbracht und von dort ein Jahr später nach Mauthausen überstellt, wo er am 27. November 1939 verstarb. Franz S. wurde ab Herbst 1940 etwa ein Jahr lang im Zwangsarbeitslager Kobenz bei Knittelfeld interniert. Mitte April 1943 wurde er gemeinsam mit seiner Ehefrau Anna in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert, wo sie im Juli bzw. Oktober 1943 verstarben. Mehrere weitere Familienmitglieder wurden ebenfalls nach Auschwitz oder in das Ghetto Litzmannstadt (Łódż) deportiert und ermordet.

Nach dem Tod von Josef S. hatte das Amtsgericht Jennersdorf dessen Anteil an der Liegenschaft Franz S. zugewiesen, der damit Alleineigentümer geworden war. Im Juni 1944 wurde auf Grundlage der „Verordnung über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens im Lande Österreich“ die Einziehung der beantragten Liegenschaft zugunsten des Deutschen Reichs verfügt. Eine grundbücherliche Eintragung des Eigentumsrechts für das Deutsche Reich erfolgte aber nicht. Nach dem Ende des NS-Regimes wurde die genannte Verordnung außer Kraft gesetzt und die Liegenschaft zunächst unter öffentliche Verwaltung gestellt.

Im Jahr 1952 beantragte der Vater der nunmehrigen Antragstellerin die Einleitung des Verfahrens zur Todeserklärung von Franz S., den er als seinen außerehelichen Vater bezeichnete. Er war 1916 als unehelicher Sohn von Josefa S. geboren und ebenfalls als „Zigeuner“ kategorisiert worden, war jedoch bis 1943 Soldat in der Deutschen Wehrmacht gewesen, dann in Kriegsgefangenschaft geraten und nach seiner Freilassung ins Südburgenland zurückgekehrt. Seine Mutter und drei Geschwister waren im Holocaust ermordet worden.

1953 wurde die öffentliche Verwaltung der Liegenschaft aufgehoben. Im selben Jahr wurde Franz S. für tot erklärt. Er hatte keine letztwillige Verfügung hinterlassen. Sein Nachlass wurde der als verschollen geltenden Witwe Anna S. und – irrtümlicherweise, da dieser zum Todeszeitpunkt von Franz S. bereits verstorben war  – seinem Vater Josef S. eingeantwortet, die in der Folge je zur Hälfte als EigentümerInnen der beantragten Liegenschaft im Grundbuch eingetragen wurden.

1959 wurden Anna S. und Josef S. für tot erklärt. Im Laufe des Verlassenschaftsverfahrens verkaufte der Verlassenschaftskurator die beantragte Liegenschaft an das Ehepaar H. Der Erlös fiel, da sich innerhalb der gesetzlichen Frist keine ErbInnen gemeldet hatten, der Republik Österreich anheim.

Am 17. Jänner 2001, dem Stichtag nach dem Entschädigungsfondsgesetz, befand sich ein Großteil der Fläche der beantragten Liegenschaft in Privateigentum. Eine Teilfläche von 89 m² war in eine Bundesstraße einbezogen worden.

Die Schiedsinstanz kam in ihrer rechtlichen Beurteilung zu dem Ergebnis, dass die zur Verfügung stehenden Beweise keine eindeutige Aussage darüber, ob der Vater der Antragstellerin ein Sohn von Franz S. war, ermöglichen. Selbst wenn die Vaterschaft zweifelsfrei feststellbar wäre, würde keine Antragsberechtigung vorliegen: Franz S. konnte allenfalls dessen unehelicher Vater gewesen sein; nach der zum Zeitpunkt des Todes von Franz S. geltenden Rechtslage war aber ein gesetzliches Erbrecht unehelicher Kinder ausgeschlossen. Zudem ergab das Beweisverfahren, dass sich die Antragstellerin sowohl nach dem Tod ihres Vaters als auch nach dem Tod ihrer Mutter – die dessen Alleinerbin geworden war – ihres Erbes entschlagen hatte. Schon aus diesem Grund wäre ihre Antragsberechtigung jedenfalls zu verneinen gewesen.

Zur Verwendung durch die Medien bestimmter Text, der die Schiedsinstanz nicht bindet.
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