Entscheidung Nr. 1005/2013

Antrag

 

AntragstellerIn, Status

Ken P., Empfehlung
Raymond P., Empfehlung
Robert P., Empfehlung
William P., Empfehlung
George S., Empfehlung

Öffentliches Eigentum

Land Niederösterreich
Republik Österreich

Vermögensart

unbeweglich

Liegenschaft/en in

KG Schönau an der Triesting (04028), Schönau an der Triesting, Niederösterreich | auf Landkarte anzeigen
KG Kottingbrunn (04016), Kottingbrunn, Niederösterreich | auf Landkarte anzeigen
KG Klosterneuburg (01704), Klosterneuburg, Niederösterreich | auf Landkarte anzeigen
KG Dornbach (01401), Wien, Wien | auf Landkarte anzeigen
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Entscheidung

 

Nummer

1005/2013

Datum

11.12.2013

Gründe

Rückstellung nach 1945 bereits erfolgt
Keine Zuständigkeit der Schiedsinstanz bzw. kein Anwendungsbereich des EF-G
"Extreme Ungerechtigkeit" iSd § 32 Abs 2 Z 1 EF-G
Kein Eigentum 1938-1945

Typ

materiell

Anonymisierter Volltext

Verbundene Entscheidung

Pressemitteilung

Pressemitteilung Entscheidung Nr. 1005/2013

Niederösterreich, Kottingbrunn und Klosterneuburg sowie Wien, Dornbach

Die Schiedsinstanz für Naturalrestitution hat am 11. Dezember 2013 die Naturalrestitution eines Grundstücks in Kottingbrunn, das Teil der Südautobahn ist und im Eigentum der Republik Österreich steht, empfohlen, da sie einen zu dieser Liegenschaft geschlossenen Vergleich aus dem Jahr 1957 als „extrem ungerecht“ wertete. Die Anträge auf Naturalrestitution weiterer Liegenschaften in Kottingbrunn wurden abgelehnt, da die Liegenschaften bereits in den 1950er Jahren zurückgestellt wurden oder Gegenstand von Vergleichen waren, die nicht als „extrem ungerecht“ bewertet wurden. Die Anträge auf Naturalrestitution zweier Liegenschaften in Wien/Dornbach und Klosterneuburg wurden abgelehnt, da diese zum Stichtag 17. Jänner 2001 nicht im öffentlichen Eigentum standen.

Irma W. und ihre beiden Töchter Helene St. und Marianne S. waren im März 1938 Eigentümerinnen eines 440 Hektar großen Guts, zu dem auch ein Schloss gehörte. Nach dem „Anschluss“ flohen Irma W. mit ihrem Ehemann, dem Industriellen Oswald W., und Marianna S. mit ihren Kindern von Wien nach Australien. Helene St. wurde 1942 aus Prag in das Konzentrationslager Theresienstadt verschleppt.

1941 wurde von den NS-Behörden ein Treuhänder für das Gut bestellt und mit dessen Verkauf beauftragt. In der Folge verkaufte der Treuhänder den Großteil des Gutes an die Berliner W. u. T. Aktiengesellschaft, den Rest an verschiedene örtliche LiegenschaftseigentümerInnen und die Gemeinde Kottingbrunn sowie größere Flächen an das Deutsche Reich.

Ab 1942 tauschte das Deutsche Reich verschiedene Grundstücke des ehemaligen Gutes mit örtlichen Landwirten und der Gemeinde Kottingbrunn und erhielt von diesen Grundstücke, die zum Ausbau des Flughafens in der Gemeinde Kottingbrunn benötigt wurden, der von der Luftwaffe übernommen worden war.

Ein Grundstück, das Gegenstand eines Tauschvertrages mit dem Landwirt Rudolf P. hätte werden sollen, verblieb im Eigentum des Deutschen Reichs, wurde aber von Rudolf P. und seinen RechtsnachfolgerInnen bewirtschaftet.

Die Liegenschaft in Klosterneuburg gehörte der im Eigentum von Irma W. und ihren beiden Töchtern stehenden I. & M. GmbH und wurde 1942 von einer Wiener Firma erworben. Die Liegenschaft in Dornbach gehörte Oswald W. und verblieb während der NS-Zeit grundbücherlich in dessen Eigentum.

Im Jahr 1949 brachten Irma W., Helene St. und Marianne S. Anträge auf Rückstellung gegen die W. u. T. Aktiengesellschaft, die Gemeinde Kottingbrunn, das Deutsche Reich und die übrigen ErwerberInnen Anträge aller ehemals zum Gut gehörigen Liegenschaften ein.

Mit verschiedenen in den Jahren 1949 und 1950 mit privaten ErwerberInnen und der Gemeinde Kottingbrunn geschlossenen Vergleichen verzichteten die Rückstellungswerberinnen gegen Ausgleichszahlungen auf die Rückstellung von ehemals zum Gut gehörigen Grundstücken.

Da die an die W. u. T. Aktiengesellschaft und das Deutsche Reich verkauften Liegenschaften des Gutes als von den alliierten Besatzungsmächten beanspruchtes "Deutsches Eigentum" galten, verweigerten die österreichischen Gerichte bis zum Abschluss des Staatsvertrages 1955 eine Verhandlung über den Rückstellungsanspruch. Diese Liegenschaften gingen mit dem Staatsvertrag von Wien 1955 in das Eigentum der Republik Österreich über und wurden mit 1956 und 1957 abgeschlossenen Vergleichen an Irma W., Helene S. und Marianne S. rückgestellt. Nicht von der Rückstellung umfasst war das nunmehr von Karl P., einem Sohn Rudolf P.s, bewirtschaftete Grundstück, da die Republik Österreich den Standpunkt einnahm, dass dieses in das Eigentum von Karl P. übergegangen war. Deshalb verzichteten die Rückstellungswerberinnen auf dessen Rückstellung.

In ihrer rechtlichen Beurteilung hielt die Schiedsinstanz fest, dass weder die Liegenschaft in Klosterneuburg, die Gegenstand eines 1960 geschlossenen Vergleichs noch die Liegenschaft in Dornbach, die 1953 zur Einbringung offener Steuerforderungen von einem Abwesenheitskurator verkauft worden war, zum Stichtag 17. Jänner 2001 im öffentlichen Eigentum gestanden war. Die Anträge auf Naturalrestitution dieser Liegenschaften waren daher abzulehnen.

Ebenfalls abzulehnen waren die Anträge auf Naturalrestitution jener Liegenschaften des Gutes, die bereits in den 1950er Jahren zurückgestellt worden waren, da in einem solchen Fall die Empfehlung auf erneute Rückstellung ausgeschlossen ist.

Hinsichtlich jener Liegenschaften des Gutes, die Gegenstand der Vergleiche mit privaten ErwerberInnen und der Gemeinde Kottingbrunn waren und die teilweise zum Stichtag 17. Jänner 2001 im Eigentum der Republik Österreich und des Landes Niederösterreich standen, waren die Anträge auf Naturalrestitution gleichfalls abzulehnen, da keine „extreme Ungerechtigkeit“ der Vergleiche vorlag: Irma W., Helene St. und Marianne S. waren in den Rückstellungsverfahren von einer renommierten Wiener Rechtsanwaltskanzlei vertreten, die die Ansprüche ihrer Mandantinnen sorgfältig verfolgt hatte. Es war somit keine Einschränkung der Privatautonomie von Irma W., Helene S. und Marianne S. erkennbar.

Demgegenüber kam die Schiedsinstanz einstimmig zum Ergebnis, dass der 1957 mit der Republik Österreich geschlossene Vergleich, mit dem Irma W., Helene St. und Marianne S. auf die Rückstellung des von Karl P. bewirtschafteten Grundstücks, verzichtet hatten, eine „extreme Ungerechtigkeit“ darstellte: Bei der Beurteilung des von 1949 bis 1957 geführten Rückstellungsverfahrens stellte die Schiedsinstanz fest, dass die Republik Österreich gesetzliche und faktische Spielräume in einer solchen Art und Weise zulasten der geschädigten Eigentümer Irma W., Helene S. und Marianne S. ausgenützt hatte, dass der erklärte Verzicht auf das Grundstück eine extreme Ungerechtigkeit dargestellt hat.

Von diesem Grundstück konnte die Schiedsinstanz allerdings nur mehr jene Fläche, die zum Stichtag 17. Jänner 2001 im Eigentum der Republik Österreich stand, zur Naturalrestition empfehlen; der Rest stand zum Stichtag nicht mehr im öffentlichen Eigentum. Da diese Fläche auch heute noch Teil der Südautobahn ist, kommt eine tatsächliche Rückstellung nicht in Betracht. Die Schiedsinstanz wird der Republik Österreich daher empfehlen, den fünf Antragstellern, allesamt Rechtsnachfolger von Irma W., Helene St. und Marianne S, den Verkehrswert zu vergüten.

Zur Verwendung durch die Medien bestimmter Text, der die Schiedsinstanz nicht bindet.
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