Entscheidung Nr. 1034/2014

Antrag

 

AntragstellerIn, Status

Gertrude W., Empfehlung
Hilda W., Empfehlung

Öffentliches Eigentum

Republik Österreich

Vermögensart

unbeweglich

Liegenschaft/en in

KG Judendorf (60315), Leoben, Steiermark | auf Landkarte anzeigen

Entscheidung

 

Nummer

1034/2014

Datum

06.03.2014

Gründe

Keine Zuständigkeit der Schiedsinstanz bzw. kein Anwendungsbereich des EF-G
Keine frühere Maßnahme iSd EF-G

Typ

materiell

Anonymisierter Volltext

Verbundene Entscheidung

Pressemitteilung

Pressemitteilung Entscheidung Nr. 1034/2014

Leoben, Judendorf
Die Schiedsinstanz für Naturalrestitution hat am 6. März 2014 zwei Anträgen auf Naturalrestitution einer Teilfläche eines historischen Grundstücks in Leoben, Katastralgemeinde (KG) Judendorf dem Grunde nach stattgegeben. Da eine Rückstellung in natura nicht möglich ist, wird die Schiedsinstanz einen vergleichbaren Vermögenswert in einer Zusatzentscheidung festsetzen. Hinsichtlich zweier Teilflächen des historischen Grundstücks in Leoben, KG Judendorf wurden die Anträge auf Naturalrestitution abgelehnt, da die Teilflächen am 17. Jänner 2001 nicht im öffentlichen Eigentum standen. Außerdem wurde ein Antrag auf Naturalrestitution einer weiteren Liegenschaft in Leoben, KG Judendorf abgelehnt, da diese am 17. Jänner 2001 ebenfalls nicht im öffentlichen Eigentum stand.

Das beantragte Grundstück, ein Acker in der KG Judendorf, war Teil einer Liegenschaft der KG Leoben-Stadt. Im März 1938 stand diese Liegenschaft jeweils im Hälfteeigentum der Eheleute Simon und Anna W., die nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich gemäß den Nürnberger Gesetzen von 1935 als jüdisch galten.

Am 30. Jänner 1939 verkauften Simon und Anna W. die Liegenschaft zum Preis von 33.600,– Reichsmark. Die NS-Vermögensverkehrsstelle in Graz setzte den Kaufpreis auf 31.600,– Reichsmark herab. Der Kaufpreis musste auf ein Sperrkonto mit der Bezeichnung „Entjudungserlös“ eingezahlt werden. Die grundbücherliche Einverleibung erfolgte am 23. Juni 1939.

Simon W. starb am 7. Februar 1940 in Wien. Seine Frau Anna W. und die gemeinsamen Kinder konnten ins Ausland flüchten.

1942 wurde das antragsgegenständliche Überlandgrundstück in Judendorf von der Liegenschaft der KG Leoben-Stadt abgeschrieben und an die Deutsche Reichsbahn verkauft.

Nach dem Ende des NS-Regimes beantragten Anna W. und die ErbInnen Simon W.s die Rückstellung der Liegenschaft in der KG Leoben-Stadt. Das Verfahren resultierte 1952 in der Restitution der Liegenschaft. Das antragsgegenständliche Grundstück in Judendorf war von diesem Verfahren jedoch nicht umfasst.

Am 17. Jänner 2001 befand sich eine Teilfläche des antragsgegenständlichen Grundstücks im Ausmaß von 328 m2 im Eigentum der Österreichischen Bundesbahnen. Zwei Teilflächen im Gesamtausmaß von 51 m2 standen im Eigentum der Gemeinde Leoben.

Die Schiedsinstanz sah eine Entziehung hinsichtlich des antragsgegenständlichen Grundstücks als erwiesen an. Da sich davon eine Teilfläche im Gesamtausmaß von 328 m2 am 17. Jänner 2001 im öffentlichen Eigentum befand und diesbezüglich auch keine frühere Maßnahme gemäß § 32 Entschädigungsfondsgesetz (EF-G) vorlag, war den Anträgen der Enkelin sowie der Schwiegertochter Simon und Anna W.s auf Naturalrestitution dem Grunde nach stattzugeben. Eine Rückstellung in natura ist aufgrund bestehender Baurechtsverträge nicht durchführbar. Aus diesem Grund wird die Schiedsinstanz nach Konsultation mit der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie einen vergleichbaren Vermögenswert als Entschädigung festsetzen.

Hinsichtlich der im Eigentum der Gemeinde Leoben stehendenden Teilflächen im Gesamtausmaß von 51 m2 waren die Anträge mangels öffentlichen Eigentums gemäß § 28 EF-G abzulehnen.

Die zweite antragsgegenständliche Liegenschaft in Judendorf im Ausmaß von 7.402 m² stand zum Zeitpunkt des „Anschlusses“ Österreichs an das Deutsche Reich im alleinigen Eigentum von Julie R., einer Tochter von Simon und Anna W. Das Deutsche Reich ließ 1939 die Forderungen der Judenvermögensabgabe und der Reichsfluchtsteuer grundbücherlich besichern. Im Juni 1941 erfolgte die öffentliche Zwangsversteigerung. Im Dezember 1941 wurde der Käufer im Grundbuch eingetragen. Julie R. war in der Zwischenzeit mit ihrer Familie nach Uruguay geflüchtet.

Im April 1948 brachte Julie R. bei der Rückstellungskommission für Steiermark, Außensenat Leoben einen Antrag auf Rückstellung der antragsgegenständlichen Liegenschaft ein. Im Juli 1952 kam es zu einem Vergleich, mit dem Julie R. gegen Zahlung von 73.500,– Schilling auf die Rückstellung der Liegenschaft verzichtete.

Am 17. Jänner 2001 befanden sich Teilflächen dieser Liegenschaft als Straßengrundstücke im Eigentum der Gemeinde Leoben, während sich die restlichen Liegenschaftsflächen in privatem Wohnungseigentum befanden. Da kein öffentliches Eigentum gemäß § 28 EF-G vorlag, lehnte die Schiedsinstanz den Antrag der Tochter Julie R.s auf Naturalrestitution ab.

Zur Verwendung durch die Medien bestimmter Text, der die Schiedsinstanz nicht bindet.
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