Entscheidung Nr. 1058/2014
Antrag
AntragstellerIn, Status
Öffentliches Eigentum
Vermögensart
Liegenschaft/en in
Entscheidung
Nummer
Datum
Grund
Typ
Anonymisierter Volltext
Pressemitteilung
Pressemitteilung Entscheidung Nr. 1058/2014
Auf der beantragten Liegenschaft im 18. Wiener Gemeindebezirk befand sich ursprünglich eine Schokoladenfabrik, die in den Jahren 1933 und 1934 zu einem Wohnhaus umgebaut worden war. Die Liegenschaft hatte ein Ausmaß von 1.256 m² und befand sich 1938 im Alleineigentum von Robert B., der aufgrund seiner Abstammung im Sinne der Nürnberger Gesetze von 1935 als jüdisch galt.
Am 15. November 1940 verkaufte Robert B. dem Ehepaar von Schl.-H. die Liegenschaft für 180.000,– Reichsmark. Vom Kaufpreis waren zahlreiche pfandrechtlich besicherte Forderungen zu begleichen und ein allfälliger Kaufpreisrest auf ein Sperrkonto zu überweisen.
Am 28. Oktober 1941 wurde Robert B. in das Ghetto Litzmannstadt/Łódź deportiert, wo er vor Anfang Juni 1942 starb. Robert B. hatte zwei Töchter: Erika B. emigrierte 1939 von der Schweiz aus in die USA. Ulrike K. trat am 11. März 1938 eine Urlaubsreise nach Paris an und emigrierte von dort aus im Juni 1938 in die USA. Der Antragsteller ist der Sohn und Erbe von Ulrike K.
Am 9. Juni 1961 beantragte die Sammelstelle B die Rückstellung der Liegenschaft. Am 4. Juni 1963 verpflichtete die Rückstellungskommission Wien die damalige Eigentümerin Ernestine G. zur Rückstellung der Liegenschaft an Erika B. und Ulrike K., die 1962 in das Verfahren eingetreten waren. Über die wechselseitigen weiteren Ansprüche wurde in dem Teilerkenntnis nicht abgesprochen. In weiterer Folge führten Erika B. und Ulrike K. mit Ernestine G. Vergleichsverhandlungen. Am 28. April 1965 kam ein Vergleich zustande, in dem Erika B. und Ulrike K. gegen Bezahlung von 390.796,11 Schilling und gegen Übernahme der Kosten der Sammelstelle B in Höhe von 84.290,– Schilling auf die Rückstellung der Liegenschaft verzichteten.
Die Stadt Wien erwarb die Liegenschaft am 12. Jänner 1993. Heute befindet sich auf der Liegenschaft eine städtische Wohnhausanlage.
Der Schwerpunkt der rechtlichen Beurteilung der Schiedsinstanz lag in der Frage, ob der Vergleich aus dem Jahr 1965 als „extrem ungerecht“ zu bewerten sei. Da der Schiedsinstanz keine Anhaltspunkte für eine Einschränkung der Privatautonomie von Erika B. und Ulrike K. während der Vergleichsverhandlungen vorlagen und auch kein objektives Wertmissverhältnis zwischen der Vergleichssumme und dem Betrag, den Erika B. und Ulrike K. bei Beendigung des Rückstellungsverfahrens zugesprochen bekommen hätten, festgestellt werden konnte, qualifizierte sie den Vergleich nicht als „extrem ungerecht“ und lehnte den Antrag daher ab.
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