Entscheidung Nr. 1137/2015

Antrag

 

AntragstellerIn, Status

Charles A., Ablehnung

Öffentliches Eigentum

Stadt Wien

Vermögensart

unbeweglich

Liegenschaft/en in

KG St. Pölten (19544), Sankt Pölten, Niederösterreich | auf Landkarte anzeigen
KG Breitenfurt (16104), Breitenfurt bei Wien, Niederösterreich | auf Landkarte anzeigen
KG Ober St. Veit (01209), Wien, Wien | auf Landkarte anzeigen
KG Inzersdorf Stadt (01102), Wien, Wien | auf Landkarte anzeigen
KG Mariahilf (01009), Wien, Wien | auf Landkarte anzeigen
KG Landstraße (01006), Wien, Wien | auf Landkarte anzeigen
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Entscheidung

 

Nummer

1137/2015

Datum

29.09.2015

Gründe

Keine Zuständigkeit der Schiedsinstanz bzw. kein Anwendungsbereich des EF-G
Keine "extreme Ungerechtigkeit" iSd § 32 Abs 2 Z 1 EF-G

Typ

materiell

Anonymisierter Volltext

Pressemitteilung

Pressemitteilung Entscheidung Nr. 1137/2015

Wien, Landstraße
Die Schiedsinstanz für Naturalrestitution hat am 29. September 2015 den Antrag auf Naturalrestitution mehrerer Liegenschaften in Wien, Breitenfurt und St. Pölten abgelehnt. Über eine im Eigentum der Stadt Wien stehende Liegenschaft war 1950 ein Rückstellungsvergleich geschlossen worden. Die Schiedsinstanz sah diesen nicht als extrem ungerecht im Sinne des Entschädigungsfondsgesetzes (EF-G) an und lehnte den Antrag daher ab. Da sich die übrigen Liegenschaften nicht im öffentlichen Eigentum befanden, wurde der Antrag hinsichtlich dieser Liegenschaften ebenfalls abgelehnt.

Die offene Handelsgesellschaft (OHG) R. Baugesellschaft war am 12. März 1938 Eigentümerin von Liegenschaften in Wien, St. Pölten und Breitenfurt. Die Gesellschafter der OHG, darunter Max E., besaßen ebenfalls Liegenschaften in Wien.

Da die Gesellschafter als jüdisch im Sinne der Nürnberger Gesetze galten, wurde die R. Baugesellschaft nach dem „Anschluss“ 1938 zunächst unter kommissarische Verwaltung gestellt und dann in Liquidation versetzt. Im Rahmen der Abwicklung der Gesellschaft veräußerte der Liquidator das Unternehmen und den Großteil seiner Liegenschaften. Auch wurden Liegenschaften der Gesellschafter, die aus Österreich geflohen waren und zum Teil im Holocaust ermordet wurden, vom Liquidator verkauft.

1944 wurde hinsichtlich einer noch im Eigentum der R. Baugesellschaft verbliebenen, unbebauten Liegenschaft wegen offener Steuerforderungen der Stadt Wien die Zwangsversteigerung eingeleitet. 1946 ersteigerte die Stadt Wien die Liegenschaft um 70.000,– Schilling.

Nach dem Ende des NS-Regimes wurde von den ErbInnen der Gesellschafter ein neuer Liquidator für die Gesellschaft bestellt, der namens der Gesellschaft ab 1949 ein Rückstellungsverfahren gegen die Stadt Wien führte. Nachdem die Vorinstanzen das Vorliegen einer Entziehung zunächst verneint hatten, hob die Oberste Rückstellungskommission deren Entscheidungen auf, und das Verfahren wurde in der Folge neu geführt. Im September 1950 schloss die Gesellschaft mit der Stadt Wien einen Vergleich, in dem sie gegen eine Zahlung von 100.000,– Schilling auf eine Rückstellung verzichtete.

Der Antragsteller, ein Enkel von Max E., beantragte nun die Naturalrestitution von Liegenschaftsvermögen nach seinem Großvater und machte unter anderem eine „extreme Ungerechtigkeit“ des Rückstellungsvergleichs von 1950 geltend.

In ihrer rechtlichen Beurteilung bejahte die Schiedsinstanz die Entziehung der Liegenschaft, da die Gesellschafter schon ab der Einsetzung des kommissarischen Verwalters nicht mehr über das Vermögen der Gesellschaft verfügen konnten. Der Rückstellungsvergleich aus dem Jahr 1950 war aber nicht als „extrem ungerecht“ im Sinne des EF-G anzusehen, da nur ein geringes Wertmissverhältnis zuungunsten der Rückstellungswerberin vorlag und deren Privatautonomie nicht eingeschränkt war. Der Antrag wurde daher abgelehnt.

Zur Verwendung durch die Medien bestimmter Text, der die Schiedsinstanz nicht bindet.
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