Entscheidung Nr. 1152/2016
Antrag
AntragstellerIn, Status
Harald F., Ablehnung
Öffentliches Eigentum
Vermögensart
Liegenschaft/en in
Entscheidung
Nummer
Datum
Gründe
Keine "extreme Ungerechtigkeit" iSd § 32 Abs 2 Z 1 EF-G
Antrag verfristet
Typ
Anonymisierter Volltext
Pressemitteilung
Pressemitteilung Entscheidung Nr. 1152/2016
Die Schiedsinstanz für Naturalrestitution hat am 14. Jänner 2016 zwei Anträge auf Naturalrestitution einer der Stadt Wien gehörenden Liegenschaft in Wien, Neubau abgelehnt. Die Liegenschaft im Gesamtausmaß von 227 m2, auf der sich ein Zinshaus befindet, musste von der jüdischen Eigentümerin Nelly K. im Jahr 1939 verkauft werden. 1951 schlossen deren ErbInnen mit den Käuferinnen einen Vergleich, in dem sie sich auf die Rückstellung einer Liegenschaftshälfte einigten. Die Schiedsinstanz sah diesen Vergleich nicht als extrem ungerecht im Sinne des Entschädigungsfondsgesetzes an und lehnte den Antrag ab.
Die beantragte Liegenschaft in Wien, Neubau befand sich 1938 im Alleineigentum von Nelly K., die im Sinne der Nürnberger Gesetze von 1935 als jüdisch galt. Im September 1939 wurde ein Kaufvertrag zwischen der Eigentümerin und einem Schwesternpaar als Käuferinnen geschlossen. Der Kaufpreis betrug 17.010,– Reichsmark. Er kam aufgrund verschiedener Auflagen der nationalsozialistischen Vermögensverkehrsstelle der Verkäuferin nur zu einem kleinen Teil zugute.
1941 wurde Nelly K. von Wien ins Ghetto Litzmannstadt deportiert und überlebte den Holocaust nicht. Während des Krieges wurde die Liegenschaft durch Bombentreffer sowie Kampfhandlungen beschädigt und dadurch teilweise unbewohnbar.
Im Jahr 1948 beantragten die drei Kinder von Nelly K., die Österreich bereits vor bzw. während des NS-Regimes verlassen hatten, als deren ErbInnen die Rückstellung der gegenständlichen Liegenschaft bei der Rückstellungskommission. In einem Teilerkenntnis vom Juni 1951 erklärte diese die grundsätzliche Rückstellungsverpflichtung der „Ariseurinnen“; die Entscheidung über die Kostenabrechnung wurde dem Enderkenntnis vorbehalten. Zudem beurteilte die Rückstellungskommission das Verhalten der seinerzeitigen Käuferinnen als redlich. Dagegen erhoben die ErbInnen Nelly K.s Einspruch. Noch vor einer neuerlichen Prüfung sowie vor einem Enderkenntnis kam es jedoch im Jahr 1951 zwischen den RückstellungswerberInnen und den Käuferinnen zu einem Vergleich vor der Rückstellungskommission. Darin wurde unter anwaltlicher Vertretung bei wechselseitigem Verzicht auf alle Rechte aus dem Teilerkenntnis die Rückstellung einer Liegenschaftshälfte vereinbart.
Im Jahr 1961 verkauften zunächst die ErbInnen nach Nelly K., im Jahr 1971 die andere Miteigentümerin ihre jeweiligen Liegenschaftshälften um 55.000,– bzw. 170.000,– Schilling an die Stadt Wien. Diese sanierte das Mietzinshaus in den 1980er-Jahren und war auch zum Stichtag nach dem Entschädigungsfondsgesetz am 17. Jänner 2001 dessen Alleineigentümerin.
In ihrer rechtlichen Beurteilung prüfte die Schiedsinstanz unter anderem, ob es sich bei dem Vergleich um eine extreme Ungerechtigkeit im Sinne des Entschädigungsfondsgesetzes handelte. Die Schiedsinstanz konnte keine Wertdifferenz zwischen dem Liegenschaftswert im Vergleichszeitpunkt und der Leistung feststellen, die die RückstellungswerberInnen aus dem Vergleich erhielten. Zudem konnte keine Einschränkung ihrer Privatautonomie festgestellt werden. Da daher keine Anhaltspunkte für eine extreme Ungerechtigkeit des Vergleichs von 1951 vorlagen, lehnte die Schiedsinstanz die Anträge ab.
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