Entscheidung Nr. 1165/2016
Antrag
AntragstellerIn, Status
Öffentliches Eigentum
Stadt Wien
Vermögensart
Liegenschaft/en in
KG Grünsting (23112), Reichenau an der Rax, Niederösterreich | auf Landkarte anzeigen
KG Inzersdorf Stadt (01102), Wien, Wien | auf Landkarte anzeigen
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Entscheidung
Nummer
Datum
Gründe
Keine Rechtsnachfolge
Keine Zuständigkeit der Schiedsinstanz bzw. kein Anwendungsbereich des EF-G
Keine "extreme Ungerechtigkeit" iSd § 32 Abs 2 Z 1 EF-G
Typ
Anonymisierter Volltext
Pressemitteilung
Pressemitteilung Entscheidung Nr. 1165/2016
Die Schiedsinstanz für Naturalrestitution hat am 21. Juni 2016 einen Antrag auf Naturalrestitution mehrerer Liegenschaften in Wien, Inzersdorf-Stadt und in Niederösterreich, Klein- und Großau abgelehnt. Die Liegenschaften in Wien standen 1938 im Eigentum von Stephan H., jene in Edlach an der Rax im Eigentum von Helene H. Die in der NS-Zeit entzogenen Liegenschaften wurden zum Großteil nach 1945 rückgestellt, hinsichtlich zweier Liegenschaften verzichtete Helene H. in Vergleichen zugunsten einer Ausgleichszahlung auf eine Rückstellung. Die Schiedsinstanz kam in ihrer rechtlichen Beurteilung zu dem Schluss, dass diese Vergleiche nicht extrem ungerecht gewesen waren, und lehnte den Antrag ab.
Die beantragten Liegenschaften in Wien standen 1938 im Alleineigentum von Stephan H., einem Gesellschafter der Firma Gustav und Wilhelm H., die eine Wiener Schokoladen- und Zuckerwarenfabrik in Wien, Favoriten betrieb. Die Gesellschafter des Unternehmens galten nach dem "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich 1938 als jüdisch im Sinne der Nürnberger Gesetze von 1935, mussten ihre Funktionen im Unternehmen zurücklegen und flüchteten ins Ausland. Nachdem Stephan H. bei Kriegsende nach Österreich zurückgekehrt war, wurden ihm die 1940 von der Gestapo beschlagnahmten Liegenschaften in Inzersdorf-Stadt sowie seine Gesellschaftsanteile zurückgestellt.
Helene H., die Mutter von Stephan H. und Großmutter der Antragstellerin, war 1938 Eigentümerin einer Liegenschaft in Wien, Wieden, die mit einem Zinshaus bebaut war, und mehrerer Liegenschaften in Edlach an der Rax. Im Juni 1938 heiratete sie einen italienischen Staatsbürger und floh in die Schweiz. Helene H., nunmehr Helene P., blieb während der NS-Zeit Eigentümerin des Zinshauses in Wien, während sie die Liegenschaften in Edlach an der Rax 1939 an die inzwischen "arisierte" Firma Gustav und Wilhelm H. verkaufen musste, die Teile der Liegenschaften 1943 an Viktor O., einen Gesellschafter der Firma, sowie an weitere Private weiterverkaufte.
Nach dem Ende des NS-Regimes beantragte Helene P. die Rückstellung der Liegenschaften in Edlach an der Rax und erhielt 1949/50 Teile der Liegenschaften zurück, die sie in der Folge weiterverkaufte. Hinsichtlich der übrigen Liegenschaftsteile schloss Helene H. 1949 Vergleiche, in denen sie zugunsten einer Ausgleichssumme auf die Rückstellung verzichtete.
Die Antragstellerin vor der Schiedsinstanz, eine Nichte von Stephan H. und Enkelin von Helene P., brachte vor, dass die 1949 abgeschlossenen Vergleiche extrem ungerecht gewesen seien.
In ihrer rechtlichen Beurteilung prüfte die Schiedsinstanz zunächst, ob hinsichtlich der Liegenschaften in Wien, Favoriten eine Anspruchsberechtigung vorliegt, und verneinte dies, da die Antragstellerin keine Erbin nach dem ursprünglichen Eigentümer Stephan H. war. Von den beantragten Liegenschaften in Edlach an der Rax standen zum Stichtag 17. Jänner 2001 rund 18 m² der ursprünglichen Liegenschaftsfläche im öffentlichen Eigentum des Landes Niederösterreich (Landesstraßenverwaltung). Die Schiedsinstanz sah keine Anhaltspunkte, die abgeschlossenen Vergleiche als extrem ungerecht einzustufen, und lehnte den Antrag auf Naturalrestitution ab.
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