Abschließende Zahlungen aus dem Entschädigungsfonds angelaufen

Der Allgemeine Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus hat am Mittwoch, dem 8. Juli 2009, mit den Schlusszahlungen begonnen. Am Tag zuvor hatte das Kuratorium, dem sowohl das Präsidium des Nationalrats und VertreterInnen der Bundesregierung als auch Opferverbände und Repräsentanten der Religionsgemeinschaften angehören, die endgültigen Auszahlungsquoten beschlossen. Damit wird die aliquote Verteilung der zur Verfügung stehenden Mittel auf Grundlage des festgestellten Vermögensverlusts geregelt. Dieser Anteil beläuft sich im Forderungsverfahren auf 10,56 Prozent, im Billigkeitsverfahren auf 17,16 Prozent und für entzogene Versicherungspolizzen 20,74 Prozent der festgestellten Verluste.

Das unabhängige Antragskomitee hat bisher 20.537 Anträge der insgesamt 20.700 Anträge mit rund 120.000 einzelnen Forderungen entschieden und Vermögensverluste in der Höhe von über 1,5 Milliarden US-Dollar anerkannt. Insgesamt stehen dem Fonds – wie im Washingtoner Abkommen mit Opferverbänden vereinbart wurde – 210 Millionen US-Dollar (umgerechnet rund 151 Millionen Euro) zur Verfügung.

139 Millionen US-Dollar hat der Entschädigungsfonds seit 2005 an etwa 14.000 AntragstellerInnen und 4.000 ErbInnen in Form von vorläufigen Leistungen, so genannte Vorauszahlungen, ausbezahlt. Etwa 30 Prozent aller Forderungen beziehen sich auf berufs- und ausbildungsbezogene Verluste, 20 Prozent auf liquidierte Betriebe. Die restlichen 50 Prozent beziehen sich auf die übrigen Vermögenskategorien Bankkonten, Aktien, Schuldverschreibungen, Hypotheken, bewegliches Vermögen, Versicherungspolizzen, Immobilien, soweit für diese nicht Naturalrestitution nach dem Entschädigungsfondsgesetz geleistet wurde, sowie sonstige Verluste und Schäden.

In diesen Zahlen spiegelt sich auch die frühere österreichische Rückstellungspolitik wider, die nach 1945 dem Grundsatz gefolgt war, nur mehr vorhandenes Vermögen zu restituieren. Ziel und Aufgabe des Entschädigungsfonds war es daher, die (dadurch) entstandenen Lücken und Unzulänglichkeiten in der österreichischen Rückstellungsgesetzgebung zu schließen und somit zu einer "umfassenden Lösung offener Entschädigungsfragen" beizutragen.

Im Vergleich mit anderen nationalen oder internationalen Entschädigungsmaßnahmen, bei denen entweder wenige Vermögenskategorien beansprucht werden konnten oder aber die Entschädigung in Pauschalsummen erfolgt, war die Aufgabenstellung der Leistung individueller Zahlungen für Schäden in zehn Kategorien ungleich komplexer. Alle Vermögensverluste mussten individuell bewertet und bereits erfolgte Restitutions- oder Entschädigungsmaßnahmen berücksichtigt werden. Eine eigene Rechercheabteilung des Entschädigungsfonds hat für diesen Zweck rund 70.000 verschiedene Dokumente aus unterschiedlichen österreichischen Archiven eingeholt. "Um die Vorgaben des Washingtoner Abkommens zu erfüllen, war die Antragsbearbeitung von Beginn an ein Wettlauf gegen die Zeit", sagt die Generalsekretärin des Entschädigungsfonds, Hannah Lessing, "denn die überwiegende Zahl der AntragstellerInnen ist vor 1945 geboren. Diese meist direkt von der Verfolgung Betroffenen waren bevorzugt zu berücksichtigen."

Zusammen mit der Entschädigung von so genannten Sklaven- und ZwangsarbeiterInnen durch den Versöhnungsfonds, für die insgesamt 436 Millionen Euro zur Verfügung standen, stellt das Washingtoner Abkommen ein Paket von Restitutions- und Entschädigungsmaßnahmen dar: Der Entschädigungsfonds sieht einerseits eine monetäre Entschädigung für Vermögensverluste und andererseits die Naturalrestitution von entzogenen Liegenschaften, die heute im öffentlichen Eigentum stehen, vor. Zusätzlich wurden 150 Millionen US-Dollar als Abgeltung für entzogene Mietrechte beschlossen und durch den Nationalfonds ausbezahlt sowie weitere Sozialmaßnahmen für Opfer des Nationalsozialismus umgesetzt.

Stuart Eizenstat, der 2001 für die USA die Verhandlungen in Washington geleitet hatte, bezeichnete im Mai 2009 die Tätigkeit des Entschädigungsfonds als "world-class standard for justice". "Dennoch war von Beginn an klar", so Generalsekretärin Lessing, "dass das Leid und Unrecht, das die Opfer des Nationalsozialismus erfahren haben, nicht entschädigt oder wieder gut gemacht werden kann. Wir können niemandem seine verlorene Kindheit, seine ermordete Familie zurückgeben. Ich bin aber überzeugt, dass der Versuch sich der moralischen Verantwortung zu stellen nicht nur für die überlebenden Opfer von Bedeutung ist, sondern auch für die Gesellschaft im Ganzen."