Nationalrat beschließt Zeitplan für Beendigung des Allgemeinen Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus

Am 6. Dezember 2012 hat der Nationalrat einstimmig die Fristen für die Hinterlegung von bereits zuerkannten, aber nicht in Anspruch genommenen Entschädigungsgeldern für NS-Opfer festgelegt. Bis Ende 2018 sollen damit die Arbeit des Allgemeinen Entschädigungsfonds beendet und die restlichen Mittel dem Nationalfonds der Republik Österreich für Programme zugunsten von Opfern des Nationalsozialismus übertragen werden.

Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, Vorsitzende des Nationalfonds der Republik und des Allgemeinen Entschädigungsfonds: "Mit dieser von allen Fraktionen mit beschlossenen Gesetzesnovelle wird die wichtige Arbeit des Entschädigungsfonds in geordneter Weise zu Ende geführt."

Entschädigungsfonds

Bereits am 25. Juni 2012 hatte das Antragskomitee des Entschädigungsfonds über alle bis zum Ende der Antragsfrist eingelangten 20.702 Anträge auf Vermögensentschädigung entschieden und eine Änderung der Verfahrens- und Geschäftsordnung beschlossen, wonach alle Entscheidungen, die bis 31. Dezember 2013 nicht an die AntragstellerInnen zugestellt werden können, mit 1. Jänner 2014 beim Generalsekretariat des Entschädigungsfonds hinterlegt werden. Nach Ablauf eines Monats gelten sie dann als zugestellt.

Mit dem nunmehr geänderten Entschädigungsfondsgesetz (EF-G) können die vom Antragskomitee zuerkannten Leistungen von den Berechtigten innerhalb von fünf Jahren nach Zustellung der Entscheidung in Anspruch genommen werden. Alle Gelder, die nach Ablauf dieser fünf Jahre im Entschädigungsfonds verbleiben, werden dem Nationalfonds übertragen. Das Antragskomitee wird bis 1. September 2015 einen Schlussbericht vorlegen und gilt nach Kenntnisnahme des Berichts durch den Hauptausschuss des Nationalrats als aufgelöst.

Für die beim Entschädigungsfonds eingerichtete Schiedsinstanz für Naturalrestitution, die über Anträge auf Rückgabe von Vermögenswerten im öffentlichen Eigentum entscheidet, wurden ebenfalls Neuerungen eingeführt. Bislang stand Ländern und Gemeinden die Möglichkeit, sich dem Verfahren der Schiedsinstanz anzuschließen, um ihr öffentliches Eigentum auf mögliche Restitutionsansprüche prüfen zu lassen, zeitlich unbegrenzt offen. Von diesem "Opt-In" haben bislang alle Bundesländer mit Ausnahme Tirols – das eine eigene Regelung getroffen hat – sowie die Gemeinden Bad Ischl, Eisenstadt, Mattersburg, Oberwart, Purkersdorf, Rechnitz, Kittsee, Stockerau, Vöcklabruck, Grieskirchen, Korneuburg, Kobersdorf, Frauenkirchen und Wiener Neudorf Gebrauch gemacht.

Um einen zeitlichen Rahmen für die Tätigkeit der Schiedsinstanz zu schaffen, wird mit der Novellierung des EF-G die Möglichkeit des "Opt-In" für Länder und Gemeinden, die sich der Schiedsinstanz noch anschließen wollen, mit 31. Dezember 2013 begrenzt. Die Aufgaben der Schiedsinstanz sind abgeschlossen, wenn über alle Anträge entschieden wurde, die zweijährige Wiederaufnahmefrist nach der letzten Entscheidung abgelaufen ist und alle Entscheidungen veröffentlicht wurden. Die Schiedsinstanz wird ebenso wie das Antragskomitee einen Schlussbericht verfassen und diesen bis 1. September 2018 vorlegen. Nach Kenntnisnahme des Berichts durch den Hauptausschuss des Nationalrats gilt auch die Schiedsinstanz als aufgelöst.

Der 2001 auf Basis des Washingtoner Abkommens eingerichtete und mit 210 Millionen US-Dollar dotierte Entschädigungsfonds hat rund 103.000 Entschädigungsforderungen für Vermögensverluste anerkannt, die von früheren Entschädigungsmaßnahmen nicht bzw. nur teilweise umfasst waren. Der höchste in einem Fall ausbezahlte Entschädigungsbetrag betrug 1,08 Millionen US-Dollar. Abzüglich jener Anträge, in denen keine Entschädigung zuerkannt wurde, betrug die durchschnittliche Entschädigungssumme (arithmetisches Mittel) rund 12.000 US-Dollar.

Das Antragskomitee hat insgesamt über rund 160.000 Forderungen in verschiedenen Verlustkategorien entschieden. Von 1.049 verstorbenen AntragstellerInnen werden noch ErbInnen gesucht. Da die AntragstellerInnen in über 70 verschiedenen Ländern ihren Wohnsitz haben bzw. hatten, werden auch die österreichischen Vertretungen im Ausland einbezogen und soziale Netzwerke wie Facebook genutzt, um möglichst alle berechtigten ErbInnen vor Ablauf der Fristen zu finden.

Die Schiedsinstanz für Naturalrestitution hat von den bislang 2.251 eingelangten Anträgen 1.206 entschieden. Von den 750 noch offenen Anträgen erfüllen 95 die formalen Antragsvoraussetzungen. 90 Anträge wurden bisher mit einer Empfehlung auf Rückstellung abgeschlossen. Der geschätzte Gesamtwert der rückgestellten Liegenschaften beläuft sich auf rund 42 Millionen Euro.

Nationalfonds

Dem Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus wurde 2001 auf Basis des Washingtoner Abkommens die Aufgabe übertragen, Entschädigung in der Höhe von insgesamt 150 Millionen US-Dollar für entzogene Mietrechte, Hausrat und persönliche Wertgegenstände zu leisten. Bis 30. Juni 2004 konnten Anträge gestellt werden. Die Aufteilung der zur Verfügung stehenden Mittel erfolgte in zwei Tranchen durch Pauschalzahlungen zu je 7.630 Euro bzw. 1.000 Euro. Diese Leistungen wurden mehr als 20.000 Personen zuerkannt.

Nicht alle zuerkannten Leistungen konnten jedoch ausbezahlt werden: Rund 900 Zahlungen in Höhe von insgesamt 1,3 Millionen Euro konnten nicht vorgenommen werden, da die Berechtigten verstorben sind und die ErbInnen trotz intensiver Nachforschungen nicht ermittelt werden konnten. Darüber hinaus verbleiben Restmittel in Höhe von 1,1 Millionen Euro. Insgesamt stehen somit rund 2,4 Millionen Euro aus dem Topf der "Mietrechtsentschädigung" zur Verfügung, die nun auf andere Weise Opfern des Nationalsozialismus zugute kommen sollen.

Mit der Änderung des Nationalfondsgesetzes (NF-G) können nicht zuerkannte Restmittel für Programme zugunsten von Opfern des Nationalsozialismus verwendet werden. Zuerkannte, jedoch bislang nicht auszahlbare Mittel werden für einen Zeitraum von fünf Jahren ab Zuerkennung bzw. Inkrafttreten der Novelle hinterlegt und können so lange von den Berechtigten in Anspruch genommen werden. Die nach Ablauf dieser Frist am 31. Dezember 2017 verbleibenden Mittel werden ebenfalls für Programme zugunsten von Opfern des Nationalsozialismus verwendet.

Der Nationalfonds hat für die Entschädigung von entzogenen Mietrechten und Hausrat die im Washingtoner Abkommen vereinbarten 150 Millionen US-Dollar an insgesamt 20.374 Personen ausbezahlt.

Resümee

Insgesamt erhielten auf Basis des im Washingtoner Abkommen 2001 festgelegten Entschädigungspakets rund 24.000 Personen aus 78 Ländern Zahlungen des Nationalfonds und des Entschädigungsfonds. Bis zum 4. Dezember 2012 hat der Entschädigungsfonds 210,5 Millionen US-Dollar und der Nationalfonds rund 175 Millionen Euro für entzogene Mietrechte, Hausrat und persönliche Wertgegenstände ausbezahlt.

"Materielle Leistungen, gleich in welcher Höhe, können nichts 'wiedergutmachen'", gibt Generalsekretärin Hannah Lessing zu bedenken. "Aber sie können und sollen eine Geste der Anerkennung für die erlittenen Verluste und Schädigungen darstellen, mit der sich die Republik Österreich zu ihrer Verantwortung gegenüber den Opfern bekennt. Darüber hinaus sind die tausenden Schicksale von Einzelpersonen, Familien, aber auch von Unternehmen und Vereinigungen – dokumentiert in 38.646 Akten mit einem Gesamtumfang von rund 750 Laufmetern – ein wichtiger Teil österreichischer Vergangenheit: Sie tragen dazu bei, die Flamme der Erinnerung an zukünftige Generationen weiterzugeben", so Lessing.