Entscheidung Nr. 25/2005

Antrag

 

AntragstellerIn, Status

Vivian D., Ablehnung
Anne H., Ablehnung
Eve H., Ablehnung
Joan H., Ablehnung
Marc E. H., Ablehnung
Stephen C. H., Ablehnung
Vivian H., Ablehnung
Hans Jörg R., Empfehlung
Monica W., Ablehnung
Philip W., Ablehnung
Rosemarie W., Ablehnung

Öffentliches Eigentum

Stadt Wien

Vermögensart

unbeweglich

Liegenschaft/en in

KG Inzersdorf Stadt (01102), Wien, Wien | auf Landkarte anzeigen

Entscheidung

 

Nummer

25/2005

Datum

15.11.2005

Gründe

Keine "extreme Ungerechtigkeit" iSd § 32 Abs 2 Z 1 EF-G
Keine frühere Maßnahme iSd EF-G

Typ

materiell

Anonymisierter Volltext

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Pressemitteilung

Pressemitteilung Entscheidung Nr. 25/2005

Wien, Inzersdorf
Die Schiedsinstanz für Naturalrestitution hat am 15. November 2005 den Rückstellungsanspruch auf ein Drittel einer der Stadt Wien gehörenden Liegenschaft in Inzersdorf bejaht. Ausschlaggebend dafür war, dass dieser Liegenschaftsanteil niemals Gegenstand eines früheren Verfahrens war. Demgegenüber waren Ansprüche auf die restlichen zwei Drittelanteile bereits in früheren Verfahren geregelt worden. Da hierbei keine extreme Ungerechtigkeit vorlag, lehnte die Schiedsinstanz die betreffenden Rückstellungsanträge ab.

Die beantragte Liegenschaft befand sich 1938 im Eigentum der Geschwister M. R., Dr. H. H. und M. W.. Dr. H. H. und die Familie der verstorbenen M.W. mussten, um ihr Leben zu retten, dass Land verlassen und hatten sämtliche ihnen gehörenden Liegenschaften zu verkaufen. Die dritte Dritteleigentümerin, M. R., blieb bei ihrem „arischen“ Ehemann in Wien, wo sie unter Hausarrest stand. Auch sie war gezwungen, ihre Liegenschaften zu verkaufen bzw. an ihre als sog. „Mischlinge 2. Grades“ geltenden Kinder zu verschenken. Im Jahr 1940 erwarb die „arisierte“ Firma G&W H. die 5309 m2 große Liegenschaft in Inzersdorf um einen Kaufpreis von 58.000,- Reichsmark. 1943 erwarb V.O., ein Gesellschafter der Firma G&W H., die Liegenschaft für sich. Im Jahr 1949 kaufte die Firma G&W H. den Grund zu einem Gesamtpreis von 150.000,- Schilling von V. O. wieder zurück. 1947 und 1948 hatten die Familien von zwei Drittelanteilseigentümern, Dr. H. H. und M. W., Rückstellungsanträge zur Liegenschaft eingebracht. Die Dritteleigentümerin M.R. stellte keinen Antrag. Die Erben nach M. W. und H. H. schlossen 1949 und 1950 Vergleiche mit der Firma G&W H., in denen sie auf die Rückstellung ihrer Liegenschaftsanteile verzichteten.

Für die Schiedsinstanz war unstrittig, dass die Geschwister M. R., Dr. H. H. und M. W. gemäß den Nürnberger Gesetzen vom 15. September 1935 als Juden galten und deshalb aus Gründen der Abstammung und Religion verfolgt wurden. In ihrer rechtlichen Beurteilung hatte die Schiedsinstanz zu prüfen, ob die Liegenschaft in Inzersdorf im Zusammenhang mit der NS-Verfolgung der Miteigentümer verkauft wurde. Der Umstand, dass aus dem Verkaufserlös die von M. R. geleisteten Erbschaftssteuerzahlungen für ihre Geschwister abgegolten wurden, ändert nach Ansicht der Schiedsinstanz nichts daran, dass der Verkauf der Liegenschaft aufgrund der Verfolgung der Eigentümer erfolgte und damit eine Entziehung darstellte. Außerdem hatte die Schiedsinstanz zu prüfen, ob bereits ein früheres Verfahren in Bezug auf die Rückstellung der Liegenschaftsanteile vorlag. Hierbei war zwischen dem 1/3-Eigentum der M. R. und dem 2/3-Eigentum der Verlassenschaft nach M. W. und des Dr. H. H. zu unterscheiden. Letztere brachten hinsichtlich ihrer Liegenschaftsanteile Rückstellungsanträge ein, welche durch Vergleiche beendet wurden. In Bezug auf diese Vergleichsabschlüsse konnte die Schiedsinstanz keine extreme Ungerechtigkeit feststellen. Maßgebend für diese Einschätzung war der Umstand, dass die 2/3-Eigentümer bewusst auf ihre Rückstellungsansprüche verzichteten, da der Verkaufserlös der Liegenschaftsanteile in ihrem Interesse zur Abgeltung von Erbschaftssteuerzahlungen verwendet worden war. Die Überlieferung zu den Modalitäten des Vergleichsabschlusses enthielt überdies keinen Hinweis darauf, dass die Privatautonomie der Beteiligen eingeschränkt gewesen wäre. Auch eine zeitgleich laufende familiäre Auseinandersetzung um Anteile der Vergleichsparteien an der Firma G & W H. ließ keine diesbezügliche Annahme zu. Hinsichtlich der verglichenen Liegenschaftsanteile lag daher ein früheres Verfahren vor.

Bezüglich des 1/3-Anteiles von M. R. konnte kein früheres Verfahren festgestellt werden. Es wurde daher von der Schiedsinstanz der Anspruch der Erben von M. R. als dem Grunde nach zu Recht bestehend angesehen. Da sich auf dieser Liegenschaft heute ein Gemeindebau befindet, sieht die Schiedsinstanz eine Rückstellung als nicht zweckmäßig an und wird nach Konsultationen mit der Stadt Wien einen vergleichbaren Vermögenswert zusprechen.

Zur Verwendung durch die Medien bestimmter Text, der die Schiedsinstanz nicht bindet.
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