Entscheidung Nr. WA6/2009

Antrag

 

AntragstellerIn, Status

Helene T., Ablehnung

Öffentliches Eigentum

Republik Österreich

Vermögensart

unbeweglich

Liegenschaft/en in

KG Josefstadt (01005), Wien, Wien | auf Landkarte anzeigen

Entscheidung

 

Nummer

WA6/2009

Datum

20.05.2009

Grund

Keine neuen Beweise/Tatsachen iSd § 21a Abs 1 GVO

Typ

materiell

Anonymisierter Volltext

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Pressemitteilung

Pressemitteilung Entscheidung Nr. WA6/2009

Wien, Josefstadt

Die Schiedsinstanz für Naturalrestitution hat am 20. Mai 2009 den Antrag auf Wiederaufnahme eines Verfahrens betreffend eine Liegenschaft in Wien, Josefstadt abgelehnt. Die Schiedsinstanz hatte im Jahr 2005 die Rückstellung dieser Liegenschaft im Eigentum der Republik Österreich in Entscheidung Nr. 27/2005 empfohlen und in der Folge die Empfehlung auf insgesamt 39 ErbInnen des ehemaligen Liegenschaftseigentümers Lothar F. erstreckt. Eine Antragstellerin bestritt nun die erbrechtliche Legitimation von neun Nachkommen einer verstorbenen Tante des ehemaligen Liegenschaftseigentümers, die von der Schiedsinstanz als antragsberechtigt anerkannt worden waren. Da die nun vorgelegten Urkunden die Antragsberechtigung der neun AntragstellerInnen jedoch nicht widerlegten, lehnte die Schiedsinstanz den Wiederaufnahmeantrag ab.

In ihrer Entscheidung Nr. 27/2005 vom 15. November 2005 hat die Schiedsinstanz für Naturalrestitution den Rückstellungsanspruch auf eine der Republik Österreich gehörende Liegenschaft in Wien, Josefstadt bejaht. Der Eigentümer der Liegenschaft, Lothar F., hatte dort bis 1938 ein Sanatorium betrieben. Nach der NS-Machtübernahme galt er als Jude und war massiven antisemitischen Diskriminierungen ausgesetzt. Er beging gemeinsam mit seiner Frau noch im April 1938 Selbstmord. Mangels "arischer" ErbInnen wurde die Liegenschaft 1939 vom Verlassenschaftskurator an die Deutsche Wehrmacht verkauft. Nach Kriegsende wurde das Gebäude von den amerikanischen Besatzungsbehörden beschlagnahmt. Das Eigentum daran ging mit dem Staatsvertrag 1955 auf die Republik Österreich über. 1960 brachten die Sammelstellen als Auffangorganisationen für erbloses Vermögen einen Antrag auf Rückstellung der Liegenschaft ein, deren Wert damals mehrere Millionen Schilling betrug. Nach längerem Verfahren einigten sie sich mit der Republik Österreich 1965 auf eine Abfindung in Höhe von 700.000,– Schilling. Dieser Vergleich wurde im Rahmen eines Generalvergleichs über verschiedene Rückstellungsansprüche der Sammelstellen gegen den Bund abgeschlossen.

Diesen Vergleich beurteilte die Schiedsinstanz in Entscheidung 27/2005 als "extrem ungerecht", da eine eklatante Wertdifferenz zwischen einer korrekten hypothetischen Rückstellungsentscheidung und der erzielten Vergleichssumme bestand, welche darin gründete, dass infolge der Generalbereinigung der Ansprüche der Sammelstellen gegen die Republik in den Vergleich über die Liegenschaft in Wien, Josefstadt Überlegungen eingeflossen waren, die in keinem Zusammenhang mit dem Rückstellungsanspruch standen und bei auf ihre Interessen bedachten RückstellungswerberInnen nicht zum Tragen gekommen wären.

Die Schiedsinstanz hatte in Entscheidung 27/2005 das Rückstellungsbegehren der neun zum Entscheidungszeitpunkt bekannten AntragstellerInnen positiv entschieden. Sie erstreckte diese Rückstellungsempfehlung in den Entscheidungen 27a/2006 und 27c/2008 auf weitere 30 AntragstellerInnen. Diese hatten ihre Rückstellungsanträge erst nach der ersten Entscheidung eingebracht. Alle Personen konnten ihr Erbrecht als Nachkommen der Großeltern des ursprünglichen Liegenschaftseigentümers Lothar F. nachweisen.

Die Antragstellerin Helene T. forderte nun die Wiederaufnahme des Verfahrens. Sie bestritt die Erbberechtigung von neun Nachkommen von Pauline Schw., einer Tante des ehemaligen Liegenschaftseigentümers Lothar F., die in der Entscheidung 27c/2008 von der Schiedsinstanz als ErbInnen anerkannt worden waren. Sie machte geltend, dass entgegen den Feststellungen der Schiedsinstanz Pauline Schw. nicht vor ihrem Ehemann, sondern erst im Jahr 1932, also 16 Jahre nach dem Tod ihres Ehemannes, gestorben sei. Als Beweis legte sie Urkunden aus Pauline Schw.s Verlassenschaftsakt vor. Aus diesen Urkunden werde somit ersichtlich, dass die neun AntragstellerInnen, deren Erbrecht von Pauline Schw.s Tochter Marie Lem. abgeleitet wurde, nicht antragsberechtigt seien.

Die Schiedsinstanz prüfte die vorgelegten neuen Dokumente dahingehend, ob diese im Sinne des § 21a Geschäfts- und Verfahrensordnung geeignet sind, ein anderes Ergebnis in der Sache herbeizuführen und eine Wiederaufnahme zu rechtfertigen. Da weiterhin feststeht, dass Pauline Schw. vor Lothar F. verstorben ist, fiel nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Rechts das Erbrecht nach Lothar F. nicht ihr oder ihren etwaigen TestamentserbInnen, sondern ihren Kindern zu. Das genaue Sterbedatum von Pauline Schw. und etwaige letztwillige Verfügungen sind daher für die Bestimmung des Erbrechts nach Lothar F. nicht relevant.

Selbst wenn diese neun Personen nicht antragsberechtigt wären, bliebe der Spruch in 27a/2006, in dem die Schiedsinstanz über den Antrag von Helene T. entschieden hat, unberührt. Denn die Schiedsinstanz hat in beiden Entscheidungen – wie auch in 27/2005 – lediglich über die Antragsberechtigung, nicht jedoch über Erbquoten der AntragstellerInnen abgesprochen. Es ist nicht Aufgabe der Schiedsinstanz, konkrete Erbquoten festzustellen. Diese Aufgabe obliegt dem zuständigen Bundesminister allein.

Die Schiedsinstanz gelangte daher zum Ergebnis, dass die nunmehr von der Antragstellerin Helene T. vorgelegten Dokumente keine inhaltliche Änderung in 27c/2008 bewirken. Sie wies daher den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens ab und bekräftigte die Antragsberechtigung der neun von Helene T. in Frage gestellten ErbInnen.

Zur Verwendung durch die Medien bestimmter Text, der die Schiedsinstanz nicht bindet.
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