Entscheidung Nr. 550/2009

Antrag

 

AntragstellerIn, Status

Marialuisa C., Zurückweisung
Michael F., Zurückweisung
Eric Neil K., Empfehlung
Yuval L., Zurückweisung
Zohar L., Zurückweisung
Rachel P., Zurückweisung

Öffentliches Eigentum

Stadt Wien

Vermögensart

unbeweglich

Liegenschaft/en in

KG Neubau (01010), Wien, Wien | auf Landkarte anzeigen

Entscheidung

 

Nummer

550/2009

Datum

30.06.2009

Gründe

Keine Rechtsnachfolge
"Extreme Ungerechtigkeit" iSd § 32 Abs 2 Z 1 EF-G

Typ

materiell

Anonymisierter Volltext

Verbundene Entscheidungen

Pressemitteilung

Pressemitteilung Entscheidung Nr. 550/2009

Wien, Neubau
Die Schiedsinstanz für Naturalrestitution hat am 30. Juni 2009 den Rückstellungsanspruch auf die Hälfte einer der Stadt Wien gehörenden Liegenschaft in Wien, Neubau bejaht. In der Entscheidung 89/2006 war der Rückstellungsantrag hinsichtlich des anderen Hälfteanteils bereits positiv entschieden worden. Ein 1954 abgeschlossener Rückstellungsvergleich war nach Ansicht der Schiedsinstanz aufgrund des massiv eingeschränkten Handlungsspielraumes der damaligen Rückstellungswerber gegenüber der Stadt Wien bei den Vergleichsverhandlungen als „extrem ungerecht“ anzusehen.
Die beantragte Liegenschaft, auf der ein Zinshaus stand, gehörte 1938 je zur Hälfte Richard G. und dem Ehepaar Nelly W. und Josef W. Von den Nationalsozialisten als Juden verfolgt, mussten sie ins Ausland fliehen. Von der Familie W. überlebten nur die beiden Söhne Emil und Eduard W., die sich nach Palästina retten konnten. Richard G. konnte nach New York fliehen. 1939 hatten er und das Ehepaar W. noch den Rechtsanwalt Dr. F. bevollmächtigt, die Liegenschaft in Wien Neubau zu verkaufen. Der von Dr. F. ausverhandelte Kaufvertrag mit einem privaten Interessenten wurde aber von den NS-Behörden nicht genehmigt, weil die Stadt Wien ein öffentliches Interesse an dem Grundstück geltend machte. Sie wollte auf dieser Fläche einen Straßendurchbruch vornehmen lassen. Die Liegenschaft wurde schließlich 1940 an die Stadt Wien verkauft.

Im Dezember 1948 beantragte Richard G. gemeinsam mit Emil und Eduard W. die Rückstellung der Liegenschaft in Wien Neubau. Die Stadt Wien war sehr daran interessiert, die Liegenschaft zu behalten, um den schon beim Kauf geplanten Straßendurchbruch zu realisieren, und strebte daher Vergleichsverhandlungen an, die 1954 mit der Unterzeichnung eines Vergleiches endeten. Darin verzichteten die Rückstellungswerber gegen Zahlung von 20.000,- Schilling auf die Rückstellung der Liegenschaft.

Die Schiedsinstanz hatte bereits in Entscheidung Nr. 89/2006 hinsichtlich Emil und Eduard W. bejaht, dass dieser Vergleich „extrem ungerecht“ im Sinne des Entschädigungsfondsgesetzes war. Nun prüfte sie, ob dies auch für Richard G. galt. Die Schiedsinstanz bekräftigte in der jetzigen Entscheidung, dass der Vergleichsbetrag weit unter jenem Wert lag, der den Rückstellungswerbern von der Rückstellungskommission zugesprochen worden wäre. Insbesondere fand keine Berücksichtigung der Erträgnisse statt. Wie Emil und Eduard W. hatte auch Richard G. zudem beim Abschluss dieses Vergleiches nur einen sehr begrenzten Handlungsspielraum. Aufgrund seiner prekären finanziellen und gesundheitlichen Situation war er massiv in seinen Möglichkeiten beschränkt, jene Form der Rechtsdurchsetzung zu wählen, die ihm am vorteilhaftesten und zweckmäßigsten erschien. Insbesondere konnten er nicht den Anwalt seines Vertrauens wählen. Der einzige Anwalt, der sich anbot, seine rechtliche Vertretung ohne Honorarvorschuss zu übernehmen, war ausgerechnet Dr. F. – jener Anwalt, der an der Vermögensentziehung während der NS-Herrschaft mitgewirkt hatte. Auf der anderen Seite übte die Stadt Wien in den Vergleichsverhandlungen Druck auf die Rückstellungswerber aus und übermittelte ihnen unter anderem irreführende bzw. unvollständige Informationen über die rückzuerstattenden Kosten.

Das Zusammenwirken dieser Umstände bewirkte eine gravierende Ungleichgewichtslage zu Lasten der Rückstellungswerber, die kausal für den Inhalt des Vergleiches wurde, der damit als „extrem ungerecht“ einzustufen war. Die Schiedsinstanz erkannte nun den Rückstellungsanspruch des Erben von Richard G. als zu Recht bestehend an. Da sich auf dieser Liegenschaft heute ein Gemeindebau befindet, sieht die Schiedsinstanz eine Rückstellung als nicht zweckmäßig an und wird nach Konsultationen mit der Stadt Wien einen vergleichbaren Vermögenswert zusprechen.
Zur Verwendung durch die Medien bestimmter Text, der die Schiedsinstanz nicht bindet.
Für Rückfragen: