Entscheidung Nr. 700/2010

Antrag

 

AntragstellerIn, Status

Michael Anthony B., Empfehlung
Paul Roderick B., Empfehlung
Philip William B., Empfehlung
Margaret Helen S., Empfehlung
David S., Empfehlung
George Leopold S., Empfehlung
Gregory John S., Empfehlung
Peter Mark S., Empfehlung
Robert Edmund S., Empfehlung

Öffentliches Eigentum

Stadtgemeinde Bad Vöslau

Vermögensart

unbeweglich

Liegenschaft/en in

KG Vöslau (04035), Bad Vöslau, Niederösterreich | auf Landkarte anzeigen
KG Leopoldstadt (01657), Wien, Wien | auf Landkarte anzeigen
KG Brigittenau (01620), Wien, Wien | auf Landkarte anzeigen
KG Penzing (01210), Wien, Wien | auf Landkarte anzeigen
KG Hadersdorf (01204), Wien, Wien | auf Landkarte anzeigen
KG Wieden (01011), Wien, Wien | auf Landkarte anzeigen
KG Landstraße (01006), Wien, Wien | auf Landkarte anzeigen
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Entscheidung

 

Nummer

700/2010

Datum

27.09.2010

Gründe

Rückstellung nach 1945 bereits erfolgt
Keine Zuständigkeit der Schiedsinstanz bzw. kein Anwendungsbereich des EF-G
Keine frühere Maßnahme iSd EF-G
Kein Eigentum 1938-1945

Typ

materiell

Anonymisierter Volltext

Verbundene Entscheidung

Pressemitteilung

Pressemitteilung Entscheidung Nr. 700/2010

Niederösterreich, Bad Vöslau
Die Schiedsinstanz für Naturalrestitution hat am 27. September 2010 die Rückstellung von Straßenflächen in Bad Vöslau empfohlen. Diese hatten im Jahr 1938 zu Baulandgrundstücken gehört, deren Besitzer vor der nationalsozialistischen Verfolgung mit seiner Familie nach Australien geflüchtet war.

Der an die Schiedsinstanz herangetragene Fall bezog sich unter anderem auf 1.743 m², die im Jahr 1938 Teil von neun Bauparzellen in der niederösterreichischen Stadt Bad Vöslau waren. Der Miteigentümer, der Wiener Apotheker Hans S., wurde als Jude vom NS-Regime verfolgt. Nach dem „Anschluss“ konnte er mit seiner Familie über Italien nach Australien flüchten.

Der gesamte Liegenschaftsbesitz von Hans S. – neben den neun Bauparzellen in Bad Vöslau bestand dieser im Wesentlichen aus Anteilen an Wiener Zinshäusern – wurde in der Folge vom Deutschen Reich eingezogen. Von diesem und von privaten Liegenschaftseigentümern kaufte die Stadtgemeinde Bad Vöslau im Jahr 1943 diverse Kleinflächen zur Errichtung/Erweiterung von Gemeindestraßen. Darunter befanden sich auch 1.743 m², die früher zu einem Sechstel Hans S. gehört hatten. Im Jahr 1944 wurden diese Kleinflächen in das öffentliche Straßengut der Stadtgemeinde übertragen. Seither werden sie im Wesentlichen unverändert als Verkehrsflächen der Gemeinde verwendet.

Über Antrag des in Sydney wohnhaften Hans S. stellten die österreichischen Behörden in den Jahren 1947 bis 1949 alle entzogenen Liegenschaften – darunter die neun entzogenen Bauparzellen – zurück. Ausgenommen davon war lediglich die von der Gemeinde Bad Vöslau im Jahr 1943 erworbene Fläche. Dazu hat Hans S. bis zu seinem Tod im Jahr 1975 keinen Rückstellungsantrag gestellt.

Georg S., ein Sohn von Hans S., stellte nun einen Antrag auf Naturalrestitution der Bad Vöslauer Liegenschaften nach dem Entschädigungsfondsgesetz. Im Dezember 2009 ersuchte die Stadtgemeinde Bad Vöslau die Schiedsinstanz, eine Prüfung dieses Falles nach den Bestimmungen des Entschädigungsfondsgesetzes vorzunehmen. Anfang des Jahres 2010 schlossen sich die weiteren ErbInnen von Hans S., seine acht Enkelkinder, diesem Verfahren an.

Zum Fall selbst brachte die Stadtgemeinde vor, dass Hans S. auf die Rückstellung dieser Flächen verzichtet habe. Immerhin bot Hans S. 1954/55 der Gemeinde die zurückgestellten Bauparzellen zum Kauf an, während die in der NS-Zeit davon abgetrennten Kleinflächen in den Vertragsverhandlungen aber nie erwähnt wurden. Die Schiedsinstanz hielt demgegenüber fest, dass bloßes Schweigen nicht als Verzichtshandlung gewertet werden kann.

Schließlich äußerte die Gemeinde auch Zweifel daran, ob dieser Fall überhaupt in den Anwendungsbereich des Entschädigungsfondsgesetzes falle, da erst die ErbInnen von Hans S., sein Sohn und seine acht Enkelkinder, die AntragstellerInnen vor der Schiedsinstanz, eine Restitutionsforderung zu den Straßenflächen gestellt hätten. Die Schiedsinstanz hielt diesen Einwand zunächst für berechtigt, da Hans S. die Restitution der übrigen, ihm entzogenen Vermögenswerte – im Wesentlichen die Wiener Zinshäuser und seine „arisierte“ Wiener Apotheke – sehr wohl betrieben hatte.

Allerdings fehlte der Schiedsinstanz ein eindeutiger Beweis dafür, dass Hans S. von den in der NS-Zeit unter anderem mit seinem Grundbesitz erfolgten Straßenbaumaßnahmen bis zum Ablauf der Rückstellungsfristen im Jahr 1954 tatsächlich erfahren hatte. Nach seiner Flucht aus Wien hatte er sich mit seiner Familie in Sydney niedergelassen und war auch nach dem Ende des NS-Regimes nicht mehr nach Österreich zurückgekehrt. In den Akten der von ihm über einen Wiener Rechtsanwalt geführten Rückstellungsverfahren fanden sich keine Flächenangaben zu den zurückgestellten Liegenschaften. Während Hans S. möglicherweise die Abtretung der Kleinflächen nicht bekannt geworden war, war der Gemeinde Bad Vöslau beim Erwerb bekannt, dass sie entzogenes Liegenschaftsvermögen kaufen würde.

Damit lag eine offene Entschädigungsfrage im Sinne des Gesetzes vor. Die Schiedsinstanz empfahl daher die Rückstellung eines Sechstels von 1.643 m² an die neun AntragstellerInnen. 100 m² standen zum Stichtag nach dem Entschädigungsfondsgesetz, dem 17. Jänner 2001, nicht mehr im Eigentum der Stadt Bad Vöslau.

Wegen der auch noch heute bestehenden Nutzung dieser Flächen als Straße ist eine tatsächliche Rückgabe allerdings nicht zweckmäßig. Die Schiedsinstanz wird der Stadtgemeinde Bad Vöslau daher empfehlen, den AntragstellerInnen den aktuellen Verkehrswert zu vergüten.

Zur Verwendung durch die Medien bestimmter Text, der die Schiedsinstanz nicht bindet.
Für Rückfragen: