Entscheidung Nr. 481/2008

Antrag

 

AntragstellerIn, Status

Joseph K., Zurückweisung
Vera S., Empfehlung

Öffentliches Eigentum

Stadt Wien

Vermögensart

unbeweglich

Liegenschaft/en in

KG Donaufeld (01603), Wien, Wien | auf Landkarte anzeigen

Entscheidung

 

Nummer

481/2008

Datum

08.09.2008

Gründe

Keine Rechtsnachfolge
Keine Zuständigkeit der Schiedsinstanz bzw. kein Anwendungsbereich des EF-G
Keine frühere Maßnahme iSd EF-G

Typ

materiell

Anonymisierter Volltext

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Pressemitteilung

Pressemitteilung Entscheidung Nr. 481/2008

Wien, Donaufeld
Die Schiedsinstanz für Naturalrestitution hat am 8. September 2008 den Rückstellungsanspruch auf eine Liegenschaft in Wien, Donaufeld bejaht. Diese Liegenschaft, die heute im Besitz der Stadt Wien ist, war nie Gegenstand eines früheren Verfahrens.
Die Liegenschaft, ein unbebautes Grundstück im 21. Wiener Bezirk, befand sich 1938 im Besitz der Jüdin Mina K. Im April 1940 verkaufte sie die 218 m² große Liegenschaft um 327,- Reichsmark an den Grundstücksnachbarn Franz B. Der Kaufvertrag wurde von der Vermögensverkehrsstelle – der „NS-Arisierungsbehörde“ – genehmigt und der Kaufpreis bei einem Treuhänder hinterlegt. Von diesem Kaufpreis wurden rund 153,- Reichsmark vom Finanzamt Brigittenau für die Einkommensteuer des Ehegatten von Mina K. gepfändet. Nach Genehmigung eines Abteilungsplanes im Jahr 1941 trat Franz B., der sein Grundstück baureif machen wollte, einen Teil der gekauften Liegenschaft als Straßengrund an die Stadt Wien ab; den Rest verkaufte er ein Jahr darauf an das Ehepaar M.

Mina K. und ihr Ehemann Andor überlebten die NS-Zeit nicht; das Ehepaar war im Februar 1941 nach Jugoslawien geflüchtet, von wo sie nicht zurückkehrten. Mit 8. Mai 1945 wurden sie für tot erklärt. Obwohl im Jahr 1960 die Sammelstellen, die erbloses oder unbeansprucht gebliebenes Vermögen zugunsten von NS-Opfern verwerten sollten, im Zuge ihrer Erhebungen auf die entzogene Liegenschaft stießen, erhoben sie keine Ansprüche darauf, weil sie sich in einigen Details, was die „Arisierung“ der Liegenschaft betraf, geirrt hatten. Nach mehreren Zu- und Abschreibungen befindet sich heute der größte Teil des entzogenen Grundstücks, rund 197 m², im Besitz der Stadt Wien.

Die Schiedsinstanz hatte sich unter anderem mit der Frage auseinander zu setzen, ob es sich im gegenständlichen Fall tatsächlich um einen Entzug „aus rassischen Gründen“ handelte oder ob aufgrund der Bestimmungen der Wiener Bauordnung ein Verkauf auch ohne Machtergreifung des Nationalsozialismus erfolgen hätte müssen. Schon die Einschaltung der Vermögensverkehrsstelle stellte eine Maßnahme dar, die im Zusammenhang mit der Verfolgung von Mina K. stand. Weiters hätten vom Kaufpreis – über welchen Mina K. zumindest nicht zur Gänze frei verfügen konnte – keine Einkommensteuerschulden für Andor K. gezahlt werden müssen. Zudem wurde die Liegenschaft von Franz B. zu einem Zeitpunkt gekauft, als noch kein Abteilungsplan vorlag; 1940 hätte daher Franz B. noch keine Veranlassung gehabt, die Liegenschaftsanteile gemäß der Wiener Bauordnung zwecks Baureifmachung anzukaufen und an die Stadt Wien abzutreten. Die Schiedsinstanz stellte daher fest, dass die Liegenschaft im Zusammenhang mit der Verfolgung Mina K.s durch das NS-Regime verkauft wurde, indem Franz B. deren Zwangslage nutzte, um sich vorzeitig in den Besitz der Liegenschaft zu bringen.

Die Schiedsinstanz sah daher den Anspruch der Erbin nach Mina K. als dem Grunde nach zu Recht bestehend an. Da sich die entzogene Liegenschaft heute in einem Straßenbereich befindet, erachtet die Schiedsinstanz eine Rückstellung als nicht zweckmäßig und wird nach Konsultationen mit der Stadt Wien empfehlen, einen vergleichbaren Vermögenswert zuzusprechen.
Zur Verwendung durch die Medien bestimmter Text, der die Schiedsinstanz nicht bindet.
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