Verfahren vor der Schiedsinstanz

Die Antragsbearbeitung wurde von HistorikerInnen und JuristInnen interdisziplinär in Teamarbeit geleistet. Dieser Zugang erschien notwendig und sinnvoll, da die Ereignisse des Entzugs ebenso wie die Rückstellungsverfahren Jahrzehnte zurücklagen und ihre Interpretation eine genaue Kenntnis der jeweiligen organisatorischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen erforderte. Darüber hinaus verfügten die AntragstellerInnen nur in seltenen Fällen über die nötigen Unterlagen (Beweismittel). Die umfangreichen Recherchen der HistorikerInnen ermöglichten vielfach erst die Feststellungen zum Sachverhalt, die für eine juristische Entscheidungsfindung notwendig waren.

In einem ersten Schritt wurde ein Antrag daraufhin geprüft, ob die Liegenschaft 1938 im Eigentum der AntragstellerInnen bzw. deren Vorfahren und am Stichtag 17. Jänner 2001 im öffentlichen Eigentum gestanden war. War dies der Fall, wurde der Antrag in der Folge als „materiell” eingestuft, ansonsten handelte es sich um einen „Formalantrag”. Bei Anträgen, in denen keine konkrete Liegenschaft genannt worden war, wurde in einem weiteren Schritt anhand der Angaben der AntragstellerInnen, des Grundbuchs, historischer Adressbücher und Meldedaten sowie etwaiger Vermögensanmeldungen aus der NS-Zeit untersucht, auf welche Liegenschaften sich der Antrag möglicherweise bezog. Die Ergebnisse dieser Recherchen wurden den AntragstellerInnen schriftlich mitgeteilt, und diesen wurde die Möglichkeit gegeben, den Antrag zu verbessern. „Materielle” Anträge wurden jeweils von einem/einer Juristin und einem/einer Historikerin gemeinsam bearbeitet, die zunächst die notwendigen Rechercheschritte festlegten. Die Dauer der historischen Recherche war von Fall zu Fall unterschiedlich und richtete sich nach den erforderlichen Nachforschungen in Archiven und Ämtern. Diese Recherche diente der Feststellung der Antragsberechtigung, des Eigentums im Jahr 1938, eines verfolgungsbedingten Entzugs und einer allfälligen „früheren Maßnahme” nach 1945.

Während des Verfahrens hatten sowohl die AntragstellerInnen als auch der/die öffentliche Eigentümer/in die Möglichkeit, der Schiedsinstanz ihre Sicht des Falls darzulegen. Dadurch wurde das rechtliche Gehör gewahrt. Nach Abschluss der Recherchen und Einholung der Stellungnahmen der beteiligten Parteien wurde durch die zuständigen ReferentInnen ein Entscheidungsentwurf erstellt, den die Schiedsinstanz in einer ihrer Sitzungen ausführlich erörterte, bevor sie schließlich ihre Entscheidung traf. Die Schiedsinstanz konnte auch eine mündliche Verhandlung mit den am Verfahren beteiligten Parteien anberaumen, wenn davon neue Erkenntnisse zum Sachverhalt zu erwarten waren.

Die Umsetzung der Entscheidungen, die auf eine Rückgabeempfehlung lauteten, fiel in die Kompetenz des öffentlichen Eigentümers bzw. der öffentlichen Eigentümerin. Wenn die Naturalrestitution nicht zweckmäßig oder durchführbar war (wie etwa bei öffentlichen Straßengrundstücken, Schulen oder Gemeindebauten), empfahl die Schiedsinstanz, einen vergleichbaren Vermögenswert an die AntragstellerInnen zurückzustellen. In der Regel handelte es sich dabei um den Verkehrswert der Liegenschaft, der von der Schiedsinstanz auf Grundlage eines unabhängigen Sachverständigengutachtens festgestellt wurde.

Abgeschlossene Verfahren konnten nach einer Änderung der Verfahrens- und Geschäftsordnung 2007 wieder aufgenommen werden. Dabei entschied die Schiedsinstanz zunächst, ob dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens stattgegeben wird. Dazu mussten bislang nicht bekannte Beweismittel vorgelegt werden, die die Annahme rechtfertigen, dass sie im früheren Verfahren zu einem anderen Ergebnis geführt hätten. In diesem Fall entschied die Schiedsinstanz über den Antragsgegenstand neu und hob ihre frühere Entscheidung auf.